26.07.2021

Manfred Kern wird 90

Er prägte die Evangelische Allianz in der DDR und baute die Kontakte zu Evangelikalen im Ostblock

Im Kalten Krieg baute er die Kontakte zu Evangelikalen im Ostblock aus

Manfred Kern

Er hat wie kaum ein anderer die Geschicke der Evangelischen Allianz in der DDR und darüber hinaus bis nach Osteuropa geprägt: Manfred Kern (Berlin). Am 26. Juli wird der Baptistenpastor 90 Jahre alt. Kern, ursprünglich Verwaltungs-kaufmann in Ost-Berlin, traf 1956 zum Abschluss seiner Studiums am Theologischen Seminar des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden), damals in Hamburg, eine wegweisende Entscheidung. Zusammen mit seiner aus Herne (Ruhrgebiet) stammenden künftigen Ehefrau Ingrid, die im April 2020 im Alter von 86 Jahren verstarb, beschloss er, als Prediger, Missionar und Seelsorger in der DDR zu wirken. Folgerichtig lehnte er auch mehrere Angebote aus westdeutschen Gemeinden für dortige Pastorenstellen ab, zuletzt nur wenige Tage vor dem Bau der Berliner Mauer vor 60 Jahren. Von 1957 bis 1983 versah er Gemeindedienste in Templin und Ost-Berlin, außerdem war er Vereinigungsleiter der Baptistengemeinden in Berlin-Brandenburg. Ferner predigte er bei Evangelisationen in der gesamten DDR. Prägend gestaltete er die Zentralkonferenz der Evangelischen Allianz im thüringischen Bad Blankenburg mit. Sein erster dortiger Einsatz, wo sich in diesen Jahren zu DDR-Zeiten jährlich bis zu 5.000 meist junge Christen versammelten, war 1968. 1974 wurde er in das Allianzkomitee, das Leitungsgremium der Evangelischen Allianz in der DDR berufen. Von 1979 bis 1988 war Kern hauptamtlicher Vorsitzender der Evangelischen Allianz in der DDR. Nach einer strukturellen Änderung, die das Amt eines hauptamtlichen Generalsekretärs schuf und vorsah, dass das Vorsitzendenamt wieder ehrenamtlich wahrgenommen werden sollte, war Manfred Kern bis 1991, der Wiedervereinigung der evangelikalen Dachorganisation aus Ost und West, Generalsekretär. Zusammen mit dem seit 1988 amtierenden Geschäftsführer der westdeutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb aus Stuttgart, leitete Manfred Kern die Kommission beider deutscher Allianzen zur Vorbereitung der Vereinigung. Im Gegensatz zu anderen Vereinigungen in Staat und Kirche hat die Evangelische Allianz den Weg gewählt, dass sich die westdeutsche Evangelische Allianz der ostdeutschen angeschlossen hat. Sowohl im ehrenamtlichen Vorsitzendenamt als auch im hauptamtlichen Generalsekretariatsamt bat man die jeweils Jüngeren um die Amtsübernahme; die Älteren übernahmen die Stellvertretung. So war Manfred Kern bis zum Beginn seines Ruhestandes 1996 stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz.

Tagung für evangelikale Leiter aus kommunistischen Staaten

Kern setzte sich für die Kontakte zu den Allianzkreisen in ganz Deutschland ein, machte aber seinen Einfluss auch darüber hinaus, besonders nach Mittel- und Osteuropa geltend. 1983 wurde er als erster Vertreter aus einem kommunistisch regierten Land in das Präsidium der Europäischen Evangelischen Allianz gewählt. 1986 erreichte er, dass eine Tagung für evangelikale Leiter aus kommunistischen Ländern in Bad Blankenburg durchgeführt werden konnte. Nach 1991 kümmerte sich Kern als stellvertretender Allianz-Generalsekretär verstärkt um die jährliche Gebetswoche und den weiteren Ausbau der Kontakte zu den vormals kommunistischen Staaten und war insgesamt für die internationale Arbeit der Deutschen Evangelischen Allianz verantwortlich. Die Blankenburger Allianzkonferenz entwickelte sich auch unter seinem Einfluss wieder zu einem gesamtdeutschen Bibeltreffen. Seine Ehefrau Ingrid engagierte sich bei Begegnungsfreizeiten für Frauen aus Mittel- und Osteuropa. 1984 wurde sie in die Frauenkommission der Weltweiten Evangelischen Allianz berufen; von 1992 bis 1997 war sie deren Vorsitzende.

Auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand war Kern weiterhin aktiv als Verkündiger der frohen Botschaft unterwegs. Unter anderem übernahm er noch einige Jahre für jeweils drei Monate den Gemeindedienst in einer deutschsprachigen Gemeinde an der spanischen Costa Blanca und wirkte dort in der Leitung mit.

Urgestein der Evangelischen Allianz

Der frühere Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, würdigte Manfred Kern als Vorgänger im Amt, Kollegen und Stellvertreter während der fünf gemeinsamen Jahre im hauptamtlichen Dienst als „Urgestein der Evangelischen Allianz“. Obwohl Kern überzeugter Baptist sei, habe für ihn die Zugehörigkeit zum Reich Gottes und die persönliche Beziehung zu Jesus Christus immer alle konfessionelle Bindung in den Schatten gestellt. Er wusste um deren vorläufige institutionelle Bedeutung. Manfred Kern war auch ein „leidenschaftlicher Evangelist, der mit seinem Leben vor allem Menschen in die Nachfolge von Jesus Christus rufen wollte.“ Deshalb habe er immer die missionarische Bemühungen um Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. In DDR-Zeiten organisierte er unter viel bescheideneren Möglichkeiten Städteevangelisationen. Selbstverständlich und mit großer Überzeugung hat er dann in der Zeit der politischen Veränderung auch die evangelistische Kundgebung mit Dr. Billy Graham am 10. März 1990 am Berliner Reichstag mit auf den Weg gebracht, aus der dann das Evangelisationswerk proChrist entstand. Im „Jahr mit der Bibel 1992“ hat er das Projekt eines Bibelmobil mit auf den Weg gebracht, das die Bibel als Wort Gottes ins Land trug. Als eine der wenigen Folgeprojekte läuft das Bibelmobil, wenn auch unter veränderten Trägerschaft, bis heute in den Neuen Bundesländern.   

Hartmut Steeb betonte, dass die Bewegung der Evangelischen Allianz Manfred Kern für seine jahrzehntelange Aufbauarbeit und Leitungsverantwortung viel zu danken habe. Seine Bedeutung für die Entwicklung Evangelischer Allianz in Deutschland und in Europa könne nicht überschätzt werden.