08.11.2023

Unsere Stimme aus Israel

EAD-Mitarbeiterin Norina Welteke berichtet aus Jerusalem

Norina Welteke, Mitarb. des Polit. Beauftragten

Tel Aviv, 7. Oktober 2023, Shabbat, gegen 11 Uhr: Meine Freundin Harriet stürmt in unser Zimmer. Ich bin sofort wach, sehr verwirrt. „Steh auf und komm mit mir ins Treppenhaus!“ Keine Erklärung dazu. Keine Zeit für Flipflops oder das Handy mitnehmen, geschweige denn die Brille. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Im Treppenhaus treffen wir auf andere Mitbewohner. Ich höre ein lautes Donnern und erkenne schlagartig: Wir stehen unter Beschuss. Keine Zeit für Panik oder Erklärungen. Wir rennen runter in den Bunker. Zum Glück haben wir einen in unserem Haus. Wir warten vielleicht so zwanzig Minuten, dann können wir wieder hoch.

Schnell wird klar, dass das hier die stärksten Angriffe auf Israel seit dem Krieg gegen die Hamas 2021 sind. Später wird man von den meisten getöteten Juden an einem Tag seit dem Holocaust sprechen. Niemand, auch nicht die offiziellen Stellen, kann erklären, wie es zu diesem Angriff kommen konnte. Selbst Wochen nach dem Angriff gibt es keine befriedigenden Antworten auf die brennendsten Fragen. Die Welt ist schlagartig eine andere geworden.

Seitdem sind wenige Wochen vergangen, die sich wie Monate angefühlt haben, weil so unglaublich viel in dieser kurzen Zeit passiert ist. Ich wurde und werde mit einer Realität konfrontiert, die ich mir vorher niemals hätte ausmalen können. Und trotz allem geht auch in Israel das Leben weiter. Mittlerweile bin ich nach Jerusalem gezogen, wo wir weitgehend, wenn auch nicht gänzlich, von Luftangriffen verschont werden, weil dabei immer die Gefahr besteht, palästinensische Siedlungen oder die Altstadt mit dem Tempelberg zu treffen. Doch Anspannung liegt nach wie vor in der Luft. Egal mit wem ich rede, ob Palästinenser, linke oder rechte Israelis, säkulare oder gläubige Juden, es herrscht große Unsicherheit und lang unterdrückte Emotionen treten zutage.

Aus menschlicher Sicht gibt es keine „einfache“ oder umsetzbare Lösung des Konflikts im Heiligen Land. Doch darin besteht auch nicht unsere Hoffnung. Hoffnung ist allein in der Souveränität unseres Gottes zu finden. Und unser Anteil am Frieden ist ganz klar das Gebet im Kämmerlein und das handelnde Gebet draußen auf den Straßen, wo wir einander in Liebe und Wahrheit begegnen.

Pray for the peace of Jerusalem!