05.08.2018

Prinz Asserate: Afrikanische Migration nach Europa nicht unterschätzen

Der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers sprach auf der Allianzkonferenz

Bad Blankenburg (idea) – Der äthiopische Christ Prinz Asfa-Wossen Asserate (Frankfurt am Main) hat davor gewarnt, die afrikanische Migration nach Europa zu unterschätzen. Er äußerte sich in einem Pressegespräch während der Glaubenskonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz am 5. August im thüringischen Bad Blankenburg. Der 69-Jährige stammt aus dem äthiopischen Kaiserhaus, das sich stammbaummäßig als zum „Hause David“ gehörend bezeichnet. Er ist der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers und der erste Äthiopier, der in Deutschland Asyl beantragte. Die Migration habe gerade erst angefangen, sagte Asserate. Bereits vor einigen Jahren habe der frühere UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gesagt, dass bereits mehr als 52 Millionen Afrikaner auf dem Weg in die Magreb-Länder seien, um eines Tages diese „lächerlichen 50, 60 Kilometer, die uns voneinander trennen“ zu überwinden.

Gewaltherrscher sind die größten Exporteure von Migranten

Um das zu verhindern, müsse mehr Zeit und Geld in „gute Regierungsführung Afrikas“ investiert werden. Aus dem Westen sei viel Geld nach Afrika geflossen. Dafür sei er dankbar, betonte Asserate. Das Problem sei aber, dass „noch nicht einmal ein Drittel“ der Entwicklungshilfe der vergangenen 50 Jahre an die richtigen Adressen geflossen sei. Gewaltherrscher seien die größten Exporteure von Migranten in der Welt. Sie gäben ihren eigenen Völkern nicht die Möglichkeit, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Ihretwegen verließen die meisten Menschen ihre Heimat: „Das ist die Urproblematik der Migration.“ Leider werde die große Bedeutung der guten Regierungsführung unterschätzt. Während des Kalten Krieges habe man gesagt, der Gewaltherrscher sei wenigstens kein Kommunist, heute sage man, er sei zwar ein gewalttätiger Diktator, aber immerhin ein Verbündeter im Kampf gegen Islamismus: „Die Europäer haben es verpasst, diesen Punkt als wesentlichen Faktor für die große Problematik in Afrika zu akzeptieren.“

Die EU braucht eine gemeinsame Afrikapolitik

Lösung könne eine neue und gemeinsame Afrikapolitik der EU sein. Die afrikanischen Gewaltherrscher seien Experten in den „Spielchen“ um Finanzen. Wenn sie in einem Land kein Geld bekämen, fragten sie es in einem anderen Land an. Ein weiteres Problem sein, dass Europa zu „Dumpingpreisen“ europäische Produkte in Afrika verkaufe – von Hähnchenschenkeln bis Tomaten –, woran die afrikanische Wirtschaft „kaputtgeht“. Ein weiteres Problem sei die Bevölkerungsexplosion in Afrika. Nach aktuellen Berechnungen der Vereinten Nationen wird sich die Bevölkerung in den 49 der 54 afrikanischen Staaten südlich der Sahara bis 2050 vermutlich auf 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln. Das lasse sich nicht durch Sterilisationen oder Kondomsendungen aus Europa lösen, so Asserate. Viele Kinder seien auch aufgrund einer hohen Kindersterblichkeitsrate für ihre Eltern von Bedeutung, damit sie sie später versorgten. Afrika könne von Deutschland lernen. Nach der Sozialgesetzgebung durch Otto von Bismarck (1815–1898) sei im Deutschen Reich die Kinderrate rapide zurückgegangen. Er plädierte für die Einführung einer „Mindestrente“ in afrikanischen Ländern.

Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea ist eine göttliche Fügung

Den Friedensschluss Anfang Juli zwischen Äthiopien und dem diktatorisch regierten Eritrea bezeichnete er als göttliche Fügung: „So etwas kann nicht von Menschenhand geschehen.“ Es sei eine neue Zeit der Gnade. Es müsse das Gebet eines jeden Äthiopiers sein, dass dieser „Äthiopische Frühling“ anhalte: „Dann kann es ein Vorbild für ganz Afrika sein.“ Laut dem Jahresbericht 2018 der US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit (Washington) zählt Eritrea zu den 16 Staaten, in denen die Religionsfreiheit am stärksten missachtet wird.

Asserate: Ich will Menschen zeigen, dass es Gott gibt

Er äußerte sich ferner zum Antisemitismus in Deutschland. Die AfD als eine Partei der Antisemiten und Faschisten zu bezeichnen, greife zu kurz. Ein großer Teil seien „Protestwähler“, die „durchaus in das Spektrum der demokratischen Parteien integrierbar“ seien. Diese Wähler beschäftige auch die Frage der Migration. Das dürfe man nicht tabuisieren. Man müsse sich immer klarmachen, dass nicht die „Ärmsten der Armen“ in den Westen flöhen. Afrika verliere seine Eliten. Im US-Bundesstaat Kalifornien gebe es mehr äthiopischstämmige Ärzte als in Äthiopien selbst. Stattdessen sei es wichtiger, den Menschen in den Ländern selbst ein menschenwürdiges Dasein aufzubauen. Zum Konferenzthema „Berufung“ sagte Asserate, es sei seine Berufung, „Menschen zu zeigen, dass es Gott gibt“. Er habe die Bewahrung Gottes in Äthiopien erlebt. Dass er nicht ermordet worden sei, mache ihn zu einem lebendigen Beispiel der Barmherzigkeit Gottes. Asserate ist einer der ersten Äthiopier, die an der deutschen Schule in Addis Abeba ihr Abitur bestanden. Er studierte Jura, Volkswirtschaft und Geschichte in Tübingen, Cambridge und Frankfurt am Main, wo er auch promovierte. Die sozialistische Revolution in Äthiopien, machte seine Pläne zunichte, in Äthiopien zu wirken. Sein Vater und sein Großonkel, Kaiser Haile Selassie (1892–1975), wurden von den Kommunisten ermordet, seine Mutter und seine Geschwister kamen für zehn Jahre ins Gefängnis. Für Asserate gab es keine Rückkehr mehr in sein Heimatland. Er blieb in Deutschland im Exil und gründete eine Menschenrechtsorganisation, die die kommunistische Unterdrückung in Äthiopien anprangerte. An seinem Wohnsitz Frankfurt am Main gehört er der äthiopisch-orthodoxen Gemeinde an, doch sieht er sich selbst als „ökumenisch orientierten Christen“. Häufig besucht er auch evangelische und katholische Gottesdienste.