15.01.2006

Allianzgebetswoche 2006: Evangelikale gehen mehr in die Öffentlichkeit

Beten in Rathäusern, vor dem Bahnhof oder in der Straßenbahn – Wieder rund 400.000 Besucher<br />

Allianzgebetswoche 2006: Evangelikale gehen mehr in die Öffentlichkeit

Beten in Rathäusern, vor dem Bahnhof oder in der Straßenbahn – Wieder rund 400.000 Besucher

S t u t t g a r t / W i t t e n (idea) – Christen haben während der diesjährigen Gebetswoche der Evangelischen Allianz vom 8. bis 15. Januar an vielen Orten ihre kirchlichen Räume verlassen, um so mit ihren Gebeten näher bei den Menschen zu sein. Die Teilnehmer versammelten sich unter anderem vor einem Landesparlament, in Rathäusern, vor einem Bahnhof, in einer Straßenbahn sowie in Stadt- und Sporthallen. Auch die Gebetsformen werden vielfältiger: So trafen sich die Besucher mancherorts in kleinen Gruppen zu einem 24-Stunden-Gebet oder veranstalteten Gebetskonzerte. Immer öfter werden bei Gebetstreffen auch Ausländergemeinden einbezogen. Das ergab eine idea-Umfrage bei örtlichen Allianzen. Nach Angaben der Evangelischen Allianzen in Deutschland, Österreich und der Schweiz blieb die Beteiligung an der 160. Gebetswoche im Vergleich zum Vorjahr konstant: Rund 400.000 Christen aus Landes- und Freikirchen trafen sich an etwa 1.250 Orten im deutschsprachigen Raum. Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), zog ein positives Fazit. Die „Ich-bin-Worte“ Jesu, die im Mittelpunkt der Veranstaltungen standen, seien sehr intensiv bedacht worden. „Die Allianzgebetswoche wurde so eine kleine Bibelschule zur Frage �Wer ist Jesus?'“ Er begrüßte ferner, daß sich die Besucher stark an Gebetsgemeinschaften beteiligt hätten.

Eindeutige Worte Jesu nicht relativieren

Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Präses Peter Strauch (Witten), berichtete, daß viele Besucher die Klarheit der „Ich-bin-Worte“ Jesu neu entdeckt hätten, etwa die Aussage, daß Christus der einzige Weg zum Heil sei. Manche Christen hielten diesen Anspruch Jesu heute nicht mehr für zeitgemäß. Die Angst sei groß, in die „Fundamentalisten- oder Sektenecke“ zu geraten. Strauch: „Wir müssen hellwach sein. Eine Anpassung auf Kosten der Eindeutigkeit der Worte Jesu kann nur verkehrt sein.“

„Die großen Nöte dieser Welt“ vor Gott bringen

Teilweise wurde in den Veranstaltungen auch für das Erreichen der Millenniumsziele der Vereinten Nationen gebetet, etwa für die Halbierung der extremen Armut bis 2015. Dazu hatte die Allianz erstmals aufgerufen. Der stellvertretende Vorsitzende der deutschen Allianz, Theo Schneider (Kassel), sagte dazu in Rostock: „Die großen Nöte dieser Welt gehören ebenso hinein in unsere Gebete wie die Krankheitsnot in unserer Familie, die zerbrochene Ehe unserer Kinder oder die Alkoholabhängigkeit unseres Nachbarn.“ Schneider ist Generalsekretär des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften). Der Präses dieser Dachorganisation, Pfarrer Christoph Morgner (Siegen), warnte, Jesus Christus auf eine Stufe mit menschlichen „Koryphäen“ wie Goethe, Mozart oder Rembrandt zu stellen. Christus lebe und wirke auch heute: „Wenn wir etwas von ihm wollen, stöbern wir nicht in alten Akten, in Antiquariaten oder Museen, sondern wir gehen ins Gebet“, so Morgner in Netphen-Unglinghausen (Siegerland).

Mahngottesdienst vor dem Hauptbahnhof

Die Initiative „Bonner Christen für das Leben“ veranstaltete einen Mahn- und Fürbittegottesdienst vor dem Hauptbahnhof. Sie griff dabei das Millenniumsziel auf, die Kindersterblichkeit um zwei Drittel zu senken. Dabei wiesen die Mitwirkenden auf die Abtreibungen hin. So würden nach Schätzungen jährlich allein in Deutschland 260.000 Kinder im Mutterleib getötet. Die Teilnehmer beteten unter anderem für Frauen, die oft jahrelang nach einer Abtreibung noch Schuldgefühle empfinden.

„Raus aus dem Gemeindeghetto“

In Bielefeld trafen sich rund 250 Christen im Sitzungssaal des Rathauses, um für kommunale Anliegen und die Amtsträger zu beten. „Wir wollen die Allianzgebetswoche aus dem Gemeindeghetto in das Leben der Stadt, in die Breite der kirchlichen Landschaft und die Gesellschaft integrieren“, so der Vorsitzende der Bielefelder Allianz, Heinrich Baumann. Christen in Hannover sprachen vor dem niedersächsischen Landtag Fürbittegebete für die Politik. In Bremen beteten etwa 60 Mitglieder aus verschiedenen Gemeinden in einer eigens gemieteten Straßenbahn unter anderem für weniger Arbeitslosigkeit in ihrer Stadt.

Für „geistliches Konjunkturprogramm“

Zum Abschluß der Gebetswoche in der Hansestadt versammelten sich 870 Besucher im Dom. Dabei sprach sich der Baptistenpastor Edwin Brandt (Potsdam) für ein „geistliches Konjunkturprogramm“ aus. Reine „Optimismusappelle“ von den Kanzeln führten nicht weiter, wenn es darum gehe, das Leben gelingen zu lassen, so der frühere Rektor des Theologischen Seminars des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Nötig sei statt dessen ein persönlicher Kontakt zu Jesus Christus. Wer sich von ihm geliebt wisse, begegne auch seinen Mitmenschen mit Liebe und Hoffnung. Dies sei eine echte „Zukunftsinvestition“.

Altbischof Sorg bei Gebetswoche

In Stuttgart wirkte der württembergische Altlandesbischof Theo Sorg mit. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt kamen wie in den Vorjahren jeweils rund 200 Besucher zu den Abendversammlungen. Als Gebetsanliegen für die Stadt hatte Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) die Fußball-Weltmeisterschaft genannt. Der Stadtverwaltung mache die Sicherheit von Spielern, Zuschauern und auswärtigen Gästen große Sorgen. Weitere Themen der Fürbitte waren Familien, Obdachlose, Suchtkranke und Ausländer. Die Millenniumsziele der Vereinten Nationen seien nicht aufgenommen worden, teilte der Allianz-Vorsitzende, Gerhard Lieb, mit. Man habe sich auf das konzentriert, „was vor Ort möglich ist“. Am Abschlußgottesdienst mit dem Theologieprofessor Hans-Joachim Eckstein (Tübingen) beteiligten sich etwa 800 Christen.
Berlin: Ein Bischof überbringt ein Grußwort aus der Ökumene
In Berlin ging die Gebetswoche mit einem Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu Ende. Der Pfarrer für missionarische Dienste der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Carsten Schwarz (Berlin) ermutigte die rund 350 Gottesdienstbesucher, sich stärker in die Gesellschaft einzubringen. Deutschland brauche christliche Hoffnungsträger. Der Bischof der Herrnhuter Brüdergemeinde und Vorsitzende des Ökumenischen Rates Berlin-Brandenburg, Theodor Clemens (Berlin), überbrachte ein Grußwort speziell der katholischen, orthodoxen und altorientalischen Christen Berlins. Auch sie beteten für die Einheit der Christen und bemühten sich, nach dem Evangelium zu leben.

Von gefühlter und begründeter Hoffnung

Der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz der Bundesregierung, Wolfgang Baake (Wetzlar), sprach zum Abschluß vor 550 Besuchern in Magdeburg. Nach seinen Worten prognostizieren Politik und Wirtschaft einen Aufschwung und verbreiteten eine gefühlte Hoffnung, die erst noch bewiesen werden müsse. Christen hätten dagegen in Jesus Christus eine begründete Hoffnung, weil er nachweislich den Tod überwunden habe. Baake ist im Hauptamt Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP.