04.01.2001

Wofür Christen beten

Zwischen 50.000 und 80.000 Christen treffen sich in dieser Woche täglich zum Gebet. Sie sind davon überzeugt, daß Gott die Welt verändern kann. Deshalb nennen sie Gott konkrete Mißstände und bitten ihn um Kraft für diejenigen, die sich aus christlicher Verantwortung an der Weltgestaltung beteiligen. Im folgenden nennen wir einige Gruppen, für die in diesen Tagen besonders gebetet wird.

Politiker: Informiertes Beten verändert

An jedem letzten Montag im Monat führt die Evangelische Allianz in der sächsischen Kreisstadt Glauchau ein „Gebet für die Stadt“ durch. Vertreter von Feuerwehr, Schulen, Kindergärten und anderen kommunalen Einrichtungen informieren über ihre Pläne und Probleme. Auch Nichtchristen sind dankbar, ihre Anliegen einem interessierten Publikum vorstellen zu können. „Um für Politiker beten zu können, muß man sie kennen“, sagt Helmut Trommer, seit 1990 Erster Bürgermeister von Glauchau. Viele Politiker seien einsam; sie fühlten sich für das Gemeinwohl verantwortlich und müßten aber immer wieder erleben, daß einzelne Gruppen sehr egoistisch vorgingen. Die Christen in Sachsen sollten dafür beten, daß bei den Bürgermeister- und Landratswahlen im Juni Menschen in Leitungsämter kommen, „die dienen wollen anstatt persönliche Eitelkeiten zu pflegen“, so Trommer, der nach zehn Jahren in der Politik in den Sächsischen Gemeinschaftsverband zurückkehrt. In Glauchau, das wie viele Städte in den neuen Bundesländern hoch verschuldet ist, gebe es genügend Aufgaben: Die Innenstadt müsse attraktiver werden, um ein Gegengewicht zu den Geschäften auf der grünen Wiese zu bilden; das Soziale Netz müsse verstärkt werden; Vereine und Kirchen sollten in die Lage versetzt werden, aus Jungen und Alten, Einheimischen und Zugezogenen, Wohlhabenden und Randgruppen eine Gemeinschaft zu machen. Trommer ist überzeugt, daß informiertes Beten eine Stadt verändern kann.

Helmut Trommer, bis 1990 Prediger des Sächsischen Gemeinschaftsverbandes, ist Erster Bürgermeister in Glauchau.

Altenpflege: sozialer und geistlicher Auftrag

Die Bewohner von Altenheimen werden immer älter und pflegebedürftiger. Neue Gesetze zur Qualitätssicherung erhöhen ständig den bürokratischen Aufwand. Die Beschäftigten stehen vor großen körperlichen und seelischen Aufgaben. Innerhalb der bezahlten Pflege bleibt praktisch keine Zeit für die Dinge, die für das Leben der Heimbewohner wichtig sind. Gespräche mit dem Einzelnen, private Wünsche oder auch das Eingehen auf Besonderheiten des Einzelnen kommen manchmal zu kurz oder sind nur durch besonderen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter möglich. Zum sozialen Auftrag, den wir Christen haben, kommt noch ein geistlicher. In unseren Heimen soll jeder das Angebot des Evangeliums erhalten; niemand soll ungetröstet, ohne Begleitung und ohne Gebet leben und sterben müssen. Diese „Leistungen“ werden natürlich im Pflegesatz nicht berücksichtigt, gehören aber zum Wesen christlicher Diakonie. Deshalb sind auch die Gemeinden zur Mithilfe herausgefordert. Bitten Sie Gott um Kraft für die Mitarbeiter in der Altenpflege, und ermutigen Sie junge Menschen in Ihrer Gemeinde, sich der alten und pflegebedürftigen Menschen anzunehmen.

Pfarrer Reinhard Holmer ist Direktor des Evangelischen Allianzhauses in Bad Blankenburg, zu dem seit 1945 auch ein Altenpflegenheim mit heute 17 Plätzen gehört. Er ist außerdem Geschäftsführer des „Diakonischen Altenhilfezentrums Saalfeld-Rudolstadt“ mit über 90 Pflegebetten.

Gesundheitswesen: Seelsorge gehört dazu

Das Gesundheitswesen hat sich weitgehend zu einem Reparaturbetrieb für akute Erkrankungen entwickelt. Anstatt Ursachen zu behandeln, konzentrieren sich viele Ärzte und Therapeuten auf die Bekämpfung von Symptomen. Für längere Gespräche fehlt oft die Zeit, zumal sie meist nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. Darunter leiden besonders die Christen unter den Pflegekräften, da ihrer Ansicht nach zu einer guten Betreuung auch Seelsorge und Gebet gehört. In vielen Spitälern gibt es keine Einwände gegen Gespräche über Esoterik und fernöstliche Religionen; die Verkündigung der christlichen Botschaft ist hingegen unerwünscht. Da brauchen Christen viel Mut, um ihren Glauben zu bekennen, Patienten auf den Arzt Jesus Christus hinzuweisen und unchristlichen Weltanschauungen zu widersprechen. Wünschenswert wären Gebetsgruppen in allen Spitälern und Heimen. Auch die Ausbildungsstätten sollten sich wieder mehr auf christliche Werte besinnen, wie sie beispielsweise im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter zum Ausdruck kommen. Als Vorbild könnten christliche Gesundheitszentren dienen, in denen Mediziner, Seelsorger und Kirchengemeinden zusammenarbeiten.

Kurt Osswald (Bäretswil im Kanton Zürich) ist Leiter der überkonfessionellen Bewegung „Christen im Dienst an Kranken“ in der Schweiz.

Lebensrecht: Stimme für die Weisungen Gottes

Gruppen, die sich besonders für den Lebensschutz einsetzen, haben heute schlechte Karten. Sie kämpfen gegen den Zeitgeist, dessen oberste Maxime lautet: „Selbstverwirklichung ohne Grenzen“. Dies wird besonders deutlich in der Abtreibungsproblematik. Die Tötung eines ungeborenen Kindes wird nicht mehr als Unrecht wahrgenommen, sondern gehört zum vermeintlichen Selbstbestimmungsrecht der Frau. Selbst in christlichen Gemeinden wird der uneingeschränkte Schutz des Lebens infrage gestellt. Zahlreiche Ehrenamtliche in den Lebensrechtsgruppen sind enttäuscht. Ihre Öffentlichkeitsarbeit in Schulen, Vereinen und Medien sowie ihre Angebote, Schwangeren beim Austragen ihres Kindes zu helfen, haben keine ethische Wende herbeigeführt. Doch ohne diese Gruppen fehlte den Weisungen Gottes in Kirche und Gesellschaft eine wichtige Stimme. Deshalb brauchen diese Gruppen die Unterstützung derer, die von der Orientierungskraft der Bibel überzeugt sind. Das Gebet kann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Weitermachen ermutigen, in Gemeinden neue Begeisterung für die unantastbare Menschenwürde wecken und Widerstände gegen die Verkündigung des Gebots „Du sollst nicht töten“ brechen.

Gudrun Ehlebracht (Bielefeld) ist stellvertretende Vorsitzende des Treffens Christlicher Lebensrecht-Gruppen (TCLG), in dem Christen und Initiativgruppen aus evangelischen Landes- und Freikirchen, pietistischen Gemeinschaften und der katholischen Kirche zusammenarbeiten.

Messianische Juden: Zwischen allen Stühlen

In Deutschland gibt es mehr als 100.000 Juden, darunter knapp 400 messianische Juden in zahlreichen Gemeinden und Hauskreisen. Wegen ihres Glaubens, daß Jesus Christus der vom Volk Israel erwartete Messias ist, befinden sie sich zwischen allen Stühlen: Die jüdischen Gemeinden sprechen ihnen das Judesein ab, und viele Kirchengemeinden betrachten sie als Störenfriede im christlichen-jüdischen Dialog. Dabei tun sie nichts anderes, als was der Jude Jesus ihnen vorlebte: die Bibel als Richtschnur für ein gottgefälliges Leben akzeptieren. sie im Alltag umsetzen und dabei die jüdische Kultur bewahren. Außerdem geben sie wie die ersten Jünger ihre Erfahrungen an andere Juden weiter und laden zu Gottesdiensten ein. Sie wollen dazu beitragen, daß die Kirche Jesu Christi ihrer ursprünglichen Bestimmung als Gemeinschaft von Judenchristen und Heidenchristen wieder nahe kommt. Dazu brauchen sie die Führung durch den Heiligen Geist. Das Gebet von Christen kann bewirken, daß die messianischen Juden nicht resignieren, daß sich die Einstellung der Kirchen und ihrer Leitungen ändert und daß Juden- und Heidenchristen gemeinsam dafür wirken, daß sich Gottes Reich unter Juden und Heiden ausbreitet.

Wladimir Pikman ist Leiter der messianisch-jüdischen Gemeinde in Berlin und des Missionswerks Beit Sar Shalom.

Mission: Welche Risiken sind zumutbar?

Überfälle ausländischer, meist islamischer Guerillas machen den 20 bis 30 Mitarbeitern der Schweizer Allianz-Mission (SAM) im Süden der westafrikanischen Republik Guinea schwer zu schaffen. Wiederholt mußten sie sich in den Norden des Landes zurückziehen. Die europäischen Botschaften haben mehrmals vor einer Rückkehr in den Süden gewarnt, wo die SAM innerhalb von 20 Jahren zahlreiche medizinische Einrichtungen gründete, darunter ein Krankenhaus für Lepra- und Tuberkulosekranke. Die Missionare organisieren auch den Betrieb von 17 Gesundheitszentren und 40 Gesundheitsposten. In der überwiegend von Moslems und Animisten bewohnten Gegend von der Größe der Schweiz arbeiten sie mit staatlichen Organisationen und der einheimischen Protestantischen Kirche zusammen. Die Überfälle zerstören nicht nur die öffentliche Ordnung, sondern lähmen auch das kirchliche Leben. Selbst an Weihnachten wagten nur wenige Christen, zum Gottesdienst zu gehen. Die Missionare betrachten ihre Arbeit auch als ein Zeichen der Solidarität mit den einheimischen Kirchenmitgliedern, die kein anderes Zuhause haben. „Beten Sie, daß die Missionare immer wieder neu erkennen, welche Risiken sie sich und ihren Familien zumuten dürfen; daß die Kirchen den verunsicherten und eingeschüchterten Menschen Hoffnung geben können; daß es den Guerillas nicht gelingt, die erfolgreiche Entwicklungsarbeit zunichte zu machen.“

Hannes und Claire-Lise Wiher, Feldleiter der Schweizer Allianz-Mission in Guinea

Gefangen: Die richtigen Worte bekommen

Ich war von 1986 bis 1994 Missionar in Pakistan. Am 9. September 1990 entführten mich moslemische Guerillas in das unwegsame Gebirge. Sie schlugen mich mit ihren Gewehren, fesselten mich mit Eisenketten und ließen mich die meiste Zeit allein in einer völlig verdreckten Höhle zurück. Einmal befahl der Anführer, mich umzubringen, was aber glücklicherweise nicht passierte. Sie wollten von den angeblich reichen Ausländern ein hohes Lösegeld erpressen. Die Entführung sprach sich innerhalb einer Stunde bis zu der im Gottesdienst versammelten Gemeinde herum, die sofort zu beten anfing. Davon wußte ich nichts. Während der folgenden sechs Tage war ich mir aber sicher, daß viele Menschen für mich beteten. Nur so kann ich mir meine innere Ruhe, das Ertragen der Schmerzen und meinen Umgang mit den Bewachern erklären. So oft ich konnte, versuchte ich, mit den Guerillas zu reden. Dabei machte ich unbewußt einige Bemerkungen, die bei den Wächtern den Eindruck erweckten, ich verfüge über „magische“ Gaben. Dies verschaffte mir etwas Respekt. Ich bin überzeugt, daß die Beter in Pakistan und in Deutschland den Heiligen Geist bewogen haben, mir die richtigen Worte zu geben. Auch meine überraschende Freilassung am 15. September betrachte ich als Gebetserhörung.

Dr. Paul C. Murdoch, Pfarrer in Sachsenheim bei Ludwigsburg, leitet den Ausschuß „Religionsfreiheit (Menschenrechte - Einsatz für verfolgte Christen)“ der Deutschen Evangelischen Allianz.