18.02.2001

Ohne Unterschied?

Im Rahmen der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEF = World Evangelical Fellowship) wurden 1984 erstmals Frauen aus den verschiedenen Kontinenten berufen, sich zu einer Kommission (CWC = Commission on Women's Concerns) zusammenzuschließen.

Die Aufgabe, die sich diese Gruppe zunächst stellte, war, die Situation von Frauen weltweit sowohl im säkularen als auch im kirchlichen Bereich zu ergründen. Nachdem Resultate vorlagen, sollten dann gemeinsam Wege gefunden werden, die Frauen helfen, aus dem traditionellen und kulturellen Leben heraus zu neuem Nachdenken über ihre Rolle als Frau zu kommen. Solch Nachdenken sollte bewusst Antwort aus der Bibel suchen, da christliche Frauen in neuer Orientierung wissen wollen, ob sie dabei „im Einklang mit dem Willen Gottes“ bleiben.

Während der Konferenz der Kommission (CWC of WEF) 1992 in Manila wurde bald allen klar, dass Studienmaterial zur Rolle der christlichen Frau in Familie, Kirche und Gesellschaft erarbeitet werden musste. Die Berichte über Frauen zeigten auf, dass in den Bereichen Ausbildung, Ermutigung und Anleitung weltweit Bedürfnisse waren, sicherlich unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Mitglieder der Kommission machten sich nun daran, spezielle Programme auf den Weg zu bringen, um die Anliegen der Frauen aufzugreifen. Es zeigte sich hier, dass im Bereich Bildung beispielsweise in einigen Teilen der Welt Lese-Lernprogramme, in anderen Teilen Weiterbildung für das gehobene Management benötigt wurden.

Doch wurde der Gruppe dabei bewusst, dass allein Ausbildung und Weiterbildung die Lage nicht verändern würden. Dort , wo Männer allein an den Schaltstellen der Entscheidung stehen., bleibt die Nutzung vorhandener Bildungsmöglichkeiten beschränkt auf das, was Männer den Frauen zugestehen.

Darum war es angebracht, die Bildungsprogramme durch Studienmaterial zu ergänzen, das Männern und Frauen helfen soll, die traditionellen Lehrmeinungen zur Rolle der Frau neu zu überdenken. Das zu erstellende Arbeitsmaterial sollte fundiertes Wissen vermitteln. Die Rolle der Frau innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen wurde aus der Perspektive geistlicher Gaben betrachtet. Die zentralen Fragen lauten nun:
Bestimmt das Geschlecht einer Person deren Dienst im Reich Gottes?
Entwickelt sich der Dienst aus Berufung und Begabung?
Auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien suchen wir die
Antworten?

Marilyn B. Smith aus Kanada (Vizepräsidentin der Theologischen Hochschule Toronto) übernahm die Aufgabe, dieses Material zu einer Studie zusammenzufassen, die in der englischen Ausgabe unter dem Titel „Gender or Giftedness“ seit 2000 auch als Buch vorliegt. Im gleichen Jahr erschienen fast parallel eine arabische Übersetzung und eine deutsche Bearbeitung dieser Studie. Hier in Deutschland erschien sie im Brunnen-Verlag unter dem Titel „Ohne Unterschied?“ Männer und Frauen im Dienst für Gott - herausgegeben von Ingrid Kern, die in der Zeit bis zum Erscheinen des Buches Leiterin der Kommission war.

Die Fragen, die der Kirche gestellt werden, kommen aus verschiedenen Bereichen:

Weltweite Situation der Frau –Missbrauch und Ausbeutung
Wandel der Stellung in fast allen Kulturkreisen
Widersprüchliche Auslegung von Bibelstellen
Wandel in der Kirchengeschichte über den Wert der Frau

Entscheidend war aber für die Frauen, die in dieser weltweiten Kommission zusammenarbeiteten, die insbesondere Frauen aus Missionskirchen und Kirchen und Gemeinden aus Erweckungszeiten vertreten, die Antwort darauf, wie sie dem Ruf Gottes für ihr Leben folgen dürfen und dabei im Einklang bleiben mit der biblischen Lehre. Dürfen sie ihre Gaben gemeinsam mit den Männern auch in Verkündigung und Leitung in der Gemeinde einsetzen?

Dabei gilt es nun traditionelle Rahmen beim Lesen der Bibel, die wir übernommen haben, kritisch zu hinterfragen. Bevor aber ein neuer Rahmen gefunden wird, muss klar sein, welche grundlegenden Prinzipien der Auslegung für diese Studie gelten sollen. Dazu erklärt die Kommission, dass die Auslegung auf folgenden theologischen Voraussetzungen beruht.:

1)Respekt vor der Schrift bedeutet, dass kein Text von vornherein als bedeutungslos abgetan werden darf.

2)Der Kontext und die jeweilige konkrete Situation müssen berücksichtigt werden, wenn wir verstehen wollen, warum die Schrift zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Aussagen macht.

3)Jesus kam, um die Macht und die Verhaltensmuster der Sünde in unserer Welt zu überwinden.

4)Wir sind aufgerufen, die zentralen Aussagen der Schrift gründlich zu erforschen und ihre Bedeutung für unsere Zeit sorgfältig herauszuarbeiten.

5)Die Botschaft des Evangeliums bleibt zeitlos gültig, auch wenn bei ihrer Umsetzung in unterschiedlichen Kulturen andere Schwerpunkte gesetzt werden müssen.

Frauen haben ganz offensichtlich die Gabe der Leitung und Verkündigung. Die Frage steht also: Kann es sein, dass Gott Gaben gibt und gleichzeitig ihren Gebrauch in der Gemeinde verbietet? Dies betrifft nicht nur Frauen, sondern die gesamte Gemeinde. Es geht also nicht darum , Frauen, die in die Leitung drängen, nachzugeben, nicht um Proporzdenken und Frauenquoten, sondern, darum, den Willen Gottes für seine Gemeinde herauszufinden.

Können es sich Kirchen und Gemeinden leisten mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder mit ihren Begabungen vom Dienst auszuschließen?

Das Buch beantwortet nicht alle Fragen, löst nicht alle Probleme, hilft aber Leserinnen und so hoffen wir auch Lesern einen Raum zum Gespräch und zum Nachdenken zu öffnen. Es führt zur Begegnung mit herausfordernden, immer wieder ge- und missbrauchten Bibelstellen. Sie werden theologisch gründlich untersucht und in den Zusammenhang der völlig neuen Zuordnung der Geschlechter gestellt, die Jesus Christus vorgenommen hat.