15.01.2023

Vetter: Menschen gemeinsam für Jesus gewinnen

Ehemaliger EAD-Vorsitzender: Die fünf Grundaufträge sind weiterhin zentral

Zum Jahresende endete die Amtszeit von Ekkehart Vetter als Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD). Im Gespräch mit PRO hat er ein Fazit gezogen.

Hier das Pro-Interview im Wortlaut:

PRO: Herr Vetter, was ist Ihr Fazit nach sechs Jahren Allianzvorsitz?

Ekkehart Vetter: Wenn ich heute zurückblicke, stand die Evangelische Allianz in dieser Zeit vor enormen Herausforderungen. Wir mussten die Allianz durch die Corona-Pandemie navigieren. Zwei Allianz-Konferenzen mit einem historischen Jubiläum konnten wir nur digital beziehungsweise mit deutlich geringerer Teilnehmerzahl durchführen. Das war bitter.

Das Zweite, was mich und den gesamten EAD-Vorstand sehr beschäftigt hat, war die Nachfolge von Hartmut Steeb. Er war mehr als 30 Jahre Generalsekretär und zunächst war nicht klar, wie es nach ihm weitergehen würde. Mit Reinhardt Schink ist es gelungen, einen sehr guten Nachfolger zu finden. Mit ihm ist dann schließlich auch der tiefgreifende strukturelle Veränderungsprozess der EAD eingeleitet worden, der im Herbst 2022 nach einem mehrjährigen Prozess beschlossen wurde und der jetzt beginnt zu greifen. Mit Reinhardt Schink und Frank Heinrich als neuer Vorstand ist die EAD gut aufgestellt!

Die Übernahme der Leitung der Allianz fiel in nicht so ganz leichte Zeiten …

Soll heißen, in die interne Debatte um die Stellung zur Homosexualität, die Vorgänger Michael Diener angestoßen hatte?

Ja. Das war sehr kontrovers. Die Debatte zog sich vom Hauptvorstand bis auf die Ebene der Gemeinden quer durch die Allianz und hat uns sehr geschüttelt. Selbst wenn es bei dieser Frage ruhiger geworden ist, heißt das nicht, dass in dem Punkt jetzt eine gemeinsame Auffassung herrscht.

Also zeichnet sich in der Frage keine Einigkeit ab?

Die unterschiedlichen Positionen an der Stelle sind da. Da ist weiterhin Diskussionsbedarf. Dies haben wir in manchen Fragen. Die Taufe ist der Klassiker. Da sind wir innerhalb der Allianz nicht einer Meinung, akzeptieren dies aber gegenseitig. Wir haben schließlich zu dem Thema Homosexualität als EAD-Hauptvorstand ein Papier verabschiedet. Bewusst sehr kurz, weil es unter uns auch die Meinung gab, dass wir uns gar nicht äußern sollten und das einfach aushalten bzw. dass es Aufgabe der verschiedenen Kirchen sei, dies für sich zu klären. In bin froh, dass die Debatte an Temperatur verloren hat. Was nicht heißt, dass wir uns inhaltlich einander angenähert haben. Aber es ist so, dass wir ethische Themen nicht in den Vordergrund stellen wollen.

Das Thema hat einigen Staub aufgewirbelt. Was hat die Allianz gelernt?

Innerhalb der Bewegung haben wir neu gelernt, auch mit Differenzen zu leben. Und dass wir Themen, die nicht im Fokus der EAD stehen, nicht immer sofort auf Zuruf bedienen müssen, als wenn sie das Wichtigste von der Welt wären. Wir sind als Allianz ein Netzwerk, nicht Kirche. Das heißt, wir müssen und wollen auch gar nicht in jeder Frage etwas sagen, die Kirchen unter sich klären müssen.

Und: Lautstärke ist kein Argument. Die Intensität, mit der ich etwas vortrage, eben sowenig. Auch dies lernen wir weiter, dass wir trotz kontroverser Auffassungen sachlich und ruhig miteinander unterwegs sein können.

Was bleibt? Was lag Ihnen am Herzen?

Die Grundfrage. Wie erreichen wir gemeinsam in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft Menschen, die ohne christliche Vorkenntnisse unterwegs sind, mit dem Evangelium? Wie können wir zu einer missionarischen Erneuerung von Kirchen und Gemeinden beitragen? Dieser Frage müssen wir uns mit absoluter Priorität stellen.
Unsere fünf EAD-Grundaufträge halte ich weiterhin für zentral: Einheit fördern, Gebet in den Fokus rücken, die Bedeutung der Bibel als Wort Gottes und Evangelisation und Mission betonen, und schließlich gesellschaftliches Engagement fördern. Dies muss in den jeweils aktuellen Situationen immer neu durchbuchstabiert werden.

Ein Zweites: Wenn ich helfen konnte, ein Klischee geradezurücken, was unter Christen in Deutschland in Bezug auf Pfingstler herrscht und in vielen Fällen unzutreffend ist, würde mich das freuen. Ich gehöre ja zum Mülheimer Verband, der historisch gesehen Teil der Pfingstbewegung ist. Pfingstler sind in aller Regel keine exotischen Paradiesvögel – ein Image, dass ihnen mehr angedichtet wird, als dass es der Wirklichkeit entspricht. Wenn also deutlicher wurde, dass wir als Christen unterschiedlicher Couleur ganz normal miteinander unterwegs sein können und jeder seine Duftmarke einbringen kann, wäre das schön. Wenn ich dazu beitragen konnte, dass wir in der Allianz Christsein als einen gemeinsamen Blumenstrauß, als ein Sinfonieorchester entdecken, indem alle Farben und Töne irgendwie sinnvoll sind und zu einem guten Ganzen zusammenzubringen sind, darf das gerne bleiben.

Wie nehmen Sie das Bild der Evangelikalen in der Öffentlichkeit wahr?

Ich weiß natürlich, dass nicht alles rosarot ist bei den Evangelikalen, dass es beispielsweise auch einen rechten Rand gibt, der in den Medien immer wieder kolportiert wird. Nicht komplett zu Unrecht, oft aber definitiv zu pauschal. Ein Beispiel: Beim „Marsch für das Leben“, der von einem breiten ökumenischen Bündnis getragen wird, in Berlin war ich dabei, weil es die einzige Veranstaltung ist, wo in einer gewissen Öffentlichkeit auf Lebensschutz in Deutschland hingewiesen werden kann. 2022 hat die Tagesschau erstaunlicherweise darüber berichtet, spricht von evangelikal-fundamentalistischen Gruppen, die diesen Marsch tragen, und blendet in dem Moment Beatrix von Storch ein, die sich vorne bei der Kundgebung unter die Demonstranten gemischt hat. Das kann sie ja tun, wir haben in Deutschland Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Damit wird aber die Botschaft vermittelt: Sämtliche Christen, die für Lebensschutz eintreten, sind Fundamentalisten und wählen AfD. In der medialen Darstellung wird kaum differenziert. Das hat sich nicht geändert. Dass Christen der AfD und ihrem inhaltlichen Komplettpaket auf den Leim gehen, halte ich für fatal.

Corona wird finanziell nicht spurlos an der Allianz vorbei gegangen sein. Wie sehr haben Sie finanzielle Sorgen belastet?

Das Allianzhaus in Bad Blankenburg war während der Corona-Pandemie zeitweise gezwungen, den Gästebetrieb komplett einzustellen. Das war finanziell eine riesige Herausforderung. Dass wir letztlich mit einem blauen Auge davongekommen sind, liegt zwar mit in der Zeit meiner Verantwortung, ist aber vor allem Reinhardt Schink, der Hausleiterin Gabriele Fischer-Schlüter und dem Aufsichtsrat des Allianzhauses zu danken. Sie alle haben da einen sehr guten Job gemacht. Weil die finanziellen Fragen trotz der Schwierigkeiten nicht überhitzt entschieden wurden, konnte ich trotz allem noch gut schlafen.

Welches Bibelwort hat Sie als Vorsitzenden besonders begleitet?

„Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Ein Bibelwort aus Galater 2, 20. Das, was ich bin, mit all dem, worum es mir geht, ist letztlich nicht mein Ding, sondern eine Sache, die Jesus bewirkt. Darum will ich – so gut es von meiner Seite her möglich ist – alle Fragen mit Hingabe an ihn beantworten. Auch, was es bedeutet, dass Christen nach dem Auftrag Jesu eins sein sollen. Wohl wissend, dass bereits zu neutestamentlicher Zeit nicht in allen Fragen eine Meinung unter Christen herrschte.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Allianz?

Ich möchte zwei Dinge betonen: Einerseits, dass die Allianz weiterhin einen Dialograum bietet, wo man über unterschiedliche theologische Positionen ins Gespräch kommt und nicht von vornherein nur eine Deutung möglich ist. Nicht, dass jeder, der ein paar Millimeter rechts oder links davon abweicht, sofort disqualifiziert wird. Andererseits wünsche ich mir, dass im Sinne der grundsätzlichen theologischen Überzeugungen, die in der Glaubensbasis der Allianz formuliert sind, weiter Kurs gehalten und versucht wird, möglichst viele Leute mitzunehmen zu einem Leben mit Jesus Christus.

Quelle: www.pro-medienmagazin.de/ehemaliger-ead-vorsitzender-vetter-ethische-themen-nicht-in-den-vordergrund-stellen

Ekkehart Vetter