01.11.2022

Mehr Netzwerk leben

Im EiNS-Interview sprechen die beiden neuen Vorstände Reinhardt Schink und Frank Heinrich über wesentliche Akzente der „neuen“ Allianz

Dr. Reinhardt Schink (l.) und Frank Heinrich

In den vergangenen Wochen war viel von der „neuen“ Allianz die Rede. Was ist das wesentlich Neue?

Schink: Das entscheidend Neue sind die inneren Veränderungen, die die Kultur des Miteinanders stärken, dezentrale und agile Formen der Zusammenarbeit fördern und das Netzwerk der Allianz in den Vordergrund stellen. Daran sollen sich möglichst viele beteiligen können. Wir erleben im Reich Gottes einen großen Reichtum an Begabungen, Beauftragungen und Charismen. Diese sollen sich im Netzwerk der Evangelischen Allianz besser entfalten und multiplizieren können. Dadurch entsteht eine neue Dynamik zum Nutzen aller. Neben dem, dass von Bad Blankenburg weiterhin Impulse ausgehen, wollen wir noch mehr Plattform und Resonanzraum sein, in dem das Reden Gottes gehört und seinem souveränen Handeln Raum gegeben wird.
Heinrich: Ich komme ja nicht aus der Struktur im engeren Sinne, außer, dass ich den Prozess im Hauptvorstand begleitet habe. Aber es ist jetzt so: Die Chance der „Mit-Täterschaft“ wird überproportional größer. Die neue Allianz wird aber nur dann die neue Allianz sein, wenn die neuen Strukturen auch genutzt und mit Leben gefüllt werden. An Runden Tischen, können jetzt niederschwellig Themen bearbeitet werden – und zwar ohne, dass jemand zuvor erst sechs Jahre in einem offiziellen Gremium hätte mitarbeiten oder nominiert werden müssen. Damit können Personengruppen sich mit ihren Themen einbringen, die bislang unterrepräsentiert waren. Das kann eine junge Mutter sein, ein Single, Arbeitsloser, junge Leute oder Vertreter von Migranten-Gemeinden, die sagen: Ich möchte gern, dass Folgendes konstruktiv bei euch aufgegriffen wird.


Okay. Wenn ich eine junge Mutter wäre und gern mitmachen würde bei Evangelischer Allianz – wie komme ich dahin?

Heinrich: Richtig. Wie kommen wir zusammen? Wir wollen dazu mit den Allianzen vor Ort kommunizieren, den Faden so weit wie möglich in deren Nähe werfen. Die Ortsallianzen sind unsere große Stärke. Die wissen: Da hat möglicherweise in Bremen jemand eine Idee, die repräsentativ ist. Wer ist diese Person? Und gibt es vielleicht noch zwei andere, die auch dafür stehen? Sie bringen wir zusammen, um zu sehen, welche Themen, Ansätze und Projekte sich da herauskristallisieren.

In dem neuen Allianz-Netzwerk soll  die inhaltliche Arbeit niederschwellig stattfinden. Wie denkt ihr euch die Arbeitsweise dort?

Heinrich: Das gilt es noch genauer zu buchstabieren. Wir wollen jetzt die neuen Möglichkeiten kommunizieren und auch herausfinden: Welche Themen sind schon lebendig? Ich spreche gern von den Zahnrädern, den Runden Tischen, mit verschiedenen Arbeitsformen und Möglichkeiten. Wenn zum Beispiel jemand sagt: Wir müssen was zum Thema Menschenhandel machen, dann muss das Rad nicht neu erfunden werden. Es gibt bereits in verschiedenen christlichen Werken Leute, die sich schon in diesem Bereich engagieren. Wie wollen sie verbinden, damit sie gegenseitig von ihren Erfahrungen profitieren, sich ermutigen und aus der Dynamik des Miteinanders neue Impulse entstehen. Sie bilden eine Art Allianz und werden zu „Mit-Tätern“ aus Gemeinden und Werken. Diese Zahnräder und Ideen wollen wir miteinander verzahnen und mit Leben füllen.

Schink: Wir wollen aus einem inneren Hören heraus agieren und gemeinsam schauen: Wo ist Gott gerade mit uns unterwegs? Welche Schwerpunkte setzt er und welche Richtung gibt er vor? Dem wollen wir hinterhergehen. Wir halten die vereinsrechtliche Ebene schlank, die inhaltliche Arbeit findet auf der Netzwerkebene an Runden Tischen statt. Dies ist der Oberbegriff für unterschiedlichste Formen der Zusammenarbeit – z.B. Arbeitskreise, Initiativ- oder Projektgruppen, Tribes oder (Innovations-)Zirkel: Menschen können  einfach andocken und mitarbeiten. Ihr Miteinander wird die weiteren Entwicklungen wesentlich mitbeeinflussen. Kurz: Es gibt mehr Möglichkeiten, Allianz mitzugestalten und erlebbar zu machen.

Wie fügen sich die bisherigen Arbeitskreise der Evangelischen Allianz in die neue Struktur ein?

Schink: Die Arbeitskreise bleiben als eine besonders strukturierte Arbeitsform der Runden Tische bestehen. Sie wurden von der Leitung der EAD eingesetzt, haben eine Geschäftsordnung und beschäftigen sich mit Themen, die auch längerfristig eine hohe Bedeutung haben. Sie werden ergänzt durch weitere, flexiblere Arbeitsformen, die schrittweise entstehen werden. Was bleiben die unaufgebbaren Essentials der EAD? Schink: Vor den jetzt beschlossenen Strukturveränderungen hat sich der Hauptvorstand im Rahmen des Zukunftsprozesses intensiv mit Berufung, Identität und Auftrag der EAD beschäftigt. Dabei wurden die Glaubensbasis und die fünf Grundaufträge der Evangelischen Allianz einstimmig bestätigt: Die Einheit der Christen bleibt ein Kernanliegen
der EAD. Ebenso bleiben wir eine Gebets- und Bibelbewegung, die für die Evangelisation und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung eintritt. Dies bleibt unaufgebbar als unsere DNA im Zentrum. Aber die Form, wie wir auf der Grundlage der gemeinsamen  Glaubensbasis die Grundaufträge leben, wird sich ändern. Nicht als Selbstzweck, sondern damit wir unsere Berufung möglichst wirkungsvoll leben können.

Heinrich: Wie die Grundaufträge gefüllt werden, das ist der aktuelle Prozess. Das müssen wir jetzt übersetzen. Daraus wächst eine Chance, die es vorher so nicht gegeben hat.

Frank, wie beschreibst du deine persönliche Motivation und Zielsetzung für die „neue“  Allianz?

Heinrich: Seit meiner Jugend habe ich eine Prägung mitbekommen, die dem Wesen der Allianz entsprach. Zwar hieß sie nicht so, aber sie war Evangelische Allianz. Deshalb setze ich mich gerne dafür ein, die Einheit der Christen zu stärken – das motiviert mich!  Außerdem: Evangelisation durch Wort und Tat ist ein weiteres Kernanliegen der EAD. Dabei ist die Einheit unter Christen der „Trick“: Die Menschen werden merken, wenn wir uns nicht kloppen, sondern versöhnt miteinander arbeiten. Dazu gibt Jesus seinen Segen.
Und zur Zielsetzung? Dass wir in ein paar Jahren zurückgucken und merken: Gott hat es gefügt, dass die neue Struktur uns hilft, das Allianz-Ur-Gen zu übersetzen in Städte und Gemeinden, und Christen ein Stück mehr „Salz“ sind, mit Wort und Tat. Und dass  diese „Sippschaft“ von Reich Gottes vielfältiger geworden ist, jünger, internationaler, weiblicher. Da muss ein Berliner nicht sein wie ein Bremer oder Chemnitzer.

Reinhardt, du wechselst vom „Stuhl“ des Generalsekretärs auf den des Vorstandes. Hat sich bei dir etwas verändert?

Schink: Ich habe eine noch größere Motivation, mich für die EAD zu engagieren und darin meine Berufung zu leben. Meine Überzeugung ist gewachsen, dass die Evangelische Allianz nach wie vor hochaktuell und notwendig ist. Seit ihrer Gründung war sie innovativ, unkonventionell und ganz von Gott abhängig. Die jetzt beschlossenen Veränderungen atmen den Geist dieses Gründungsimpulses – und ich bin gespannt, was dies für unser Alltagsgeschäft bedeuten wird. Mir ist wichtig, Einheit als einen wesentlichen Grundimpuls  der Evangelischen Allianz zu leben: als eine tief verstandene Einheit, die Jesus schenkt, wo sein Wort im Mittelpunkt steht und wir für die Wahrheit des Evangeliums eintreten; und insgesamt, dass der Name Gottes wieder einen guten Klang in der Gesellschaft  bekommt. In den Veränderungen jetzt sehe ich eine große Chance, dies in der heutigen, veränderten Situation noch adäquater leben zu können.

Welche Schritte sind jetzt wichtig, damit die „PS auch auf die Straße kommen“?

Heinrich: Wir wollen das Neue kommunizieren und Leuten Mut machen, ihre Gaben einzubringen. Mit den Verantwortlichen in den Ortsallianzen werden wir uns zusammenschalten und in den nächsten Monaten Termine in mehreren Städten nutzen, um den  Prozess auch regional zu übersetzen. Also wir suchen den Draht zu den potenziellen Zähnen der Zahnräder, um in dem Bild zu bleiben. Da werden wir unser Bestes geben.

Wird es ein Tandem Heinrich/Schink geben?

Schink: Klar! Die neue Struktur sieht ja explizit eine Doppelspitze vor – und ich freue mich, mit Frank Heinrich einen großartigen Vorstand und wertvollen Bruder an der Seite zu haben. In der vertrauensvollen Zusammenarbeit liegt ein großes Potential.

Heinrich: Wir legen unsere Schwerpunkte, Stärken und bestehenden Vernetzungen nebeneinander, um unsere Verantwortungsbereiche so zu definieren, dass wir Synergien nutzen können. Aufgrund meiner bisherigen Tätigkeit liegt es auf der Hand, dass ich den  politischen Arbeitsbereich von Uwe Heimowski verantworten werde. Aber auch die Themen Evangelisation, Religionsfreiheit, Konvertiten und Islam sowie soziale Fragen und die Förderung junger Menschen liegen mir am Herzen.

Schink: Auch in diesem Prozess ist das Entscheidende, dass nicht zwei Vorstände an der Spitze alles machen. Entweder entsteht etwas im Miteinander aller oder es kommt nicht ins Leben. Mit einer geistlichen Dimension betrachtet: Mich bewegt das Bild, dass man in einer immer dunkler werdenden Welt die „Stadt auf dem Berg“ an möglichst vielen kleinen Lichtern in den Fenstern der Häuser erkennt.

Vielen Dank für das Gespräch! Und für die kommende Zeit ein gutes Miteinander, Weisheit und in allem Gottes Segen!


Interview: Jörg Podworny