10.02.2022

Informationsdefizite beim Schwangerschaftsabbruch?

Stellungnahme: Wie die Abschaffung des § 219a StGB den Lebensschutz weiter aushöhlt.

Eine Stellungnahme der Evangelischen Allianz in Deutschland

Am 17. Januar 2022 hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB)“ vorgelegt. Er setzt damit zügig ein Vorhaben des Koalitionsvertrags um. Dort heißt es knapp: „Daher streichen wir § 219a StGB.“

Die bisherige Rechtssystematik ist einfach: Die Würde des Menschen und damit das menschliche Leben ist durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geschützt. Gemäß Bundesverfassungsgericht ist auch das ungeborene Leben Träger von Grundrechten, zu denen etwa das Erbrecht zählt (BVG, Urteil vom 28.05.1993).

Daher ist ein Schwangerschaftsabbruch keine medizinische Dienstleistung wie jede andere.

Abtreibung ist verboten: „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ (§218 StGB). Und es ist folgerichtig, dass Werbung für etwas Verbotenes nicht erlaubt sein kann (geregelt in § 219a StGB).

Ausnahmen von der Strafverfolgung werden in §218a dargestellt: Der Schwangerschaftsabbruch bleibt während der ersten 12 Wochen nach der Verschmelzung von Ei und Samenzelle straffrei, sofern mindestens drei Tage vor der Abtreibung eine Beratung bei einer anerkannten Beratungsstelle erfolgt („faktische Fristenlösung“). Wenn eine im Gesetz festgelegte Indikation festgestellt wird, liegt keine Rechtswidrigkeit vor.

Das Ziel der Beratung wird in § 219 StGB formuliert: „Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen.“

Wenn eine Indikation vorliegt, muss es den Schwangeren möglich sein, Informationen zu einer Abtreibung zu bekommen. Der Gesetzentwurf des Justizministers spricht hier einerseits von einem Informationsdefizit für die Schwangeren und andererseits von bestehender Rechtsunsicherheit für die Ärzte.

Allerdings hat die Große Koalition den § 219a STGB erst im Jahr 2019 überarbeitet.

Seither dürfen Ärztinnen und Ärzte darüber informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen und auf die angewendeten Methoden hinweisen. Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, bei Ärztekammern und bei Beratungsstellen sind „nähere“ Informationen und eine Liste von Ärzten, die Abtreibungen durchführen, verfügbar, so dass die Informationskette lückenlos ist.

Da es in Deutschland auch vor 2019 hohe Abtreibungszahlen gab (die Zahlen sind leicht rückläufig, von rund 110.000 im Jahr 2010 zu 100.000 Abbrüchen 2020), war bereits bei der der damaligen Debatte strittig, ob man tatsächlich von einem Informationsdefizit sprechen kann. Das Argument ist - spätestens seit 2019 - wenig stichhaltig.

Worum es dem Justizminister und der Ampelkoalition letztlich geht, zeigt diese Passage in der Begründung des Referentenentwurfs:

„Eine Beibehaltung des unbefriedigenden aktuellen Rechtszustands kommt nicht in Betracht. Er beeinträchtigt das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau…“ Ähnlich heißt es im Koalitionsvertrag, dass eine „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung“ den „Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches“ prüfen wird.

Es wird deutlich: § 219a StGB zu streichen ist nur ein Schritt auf einer weitreichenden politischen Agenda. Das bisherige Verbot, ungeborenes Leben zu töten, soll durch „das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung“ ersetzt werden. Das wäre ein Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung: Der Schutz des ungeborenen Lebens wird weiter ausgehöhlt.

Für die Evangelische Allianz in Deutschland steht fest: Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes, auch die Ungeborenen (Psalm 139: „du hast mich geschaffen in meiner Mutter Leib“). Es ist Aufgabe des Staates, seine Bürger zu schützen, auch das ungeborene Leben besitzt Würde. Kein Menschenrecht darf gegen das andere ausgespielt werden.

Die Abschaffung des § 219a STGB ist definitiv der falsche Weg.