01.03.2010

Sollen Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden?

Kontroverse Ansichten beim „Kinderforum" der Evangelischen Allianz

Sollen Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden?

Kontroverse Ansichten beim „Kinderforum" der Evangelischen Allianz

 

Bad Blankenburg (idea) – Sollen spezielle Rechte für Kinder ins Grundgesetz aufgenommen werden? Dafür setzt sich eine parteiübergreifende Initiative von Politikern und Kinderschutzorganisationen ein. Sie will erreichen, dass Staat und Gesellschaft Kinder als eigenständige Persönlichkeiten anerkennen und Entscheidungen stärker am Wohl der Kinder ausrichten. Dass diese Initiative umstritten ist, zeigte eine Diskussion beim „Kinderforum" der Deutschen Evangelischen Allianz am 26. und 27. Februar in Bad Blankenburg (Thüringer Wald). Während der thüringische Bildungsstaatssekretär Prof. Roland Merten (SPD) den von mehreren Bundestagabgeordneten geförderten Vorstoß begrüßte, warnte der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), davor, dem Staat mehr Einfluss auf die Kindererziehung zu geben. Laut Merten reicht der Artikel 6 des Grundgesetzes nicht aus, um das Wohl von Kindern ausreichend zu schützen. Danach darf der Staat Kinder nur dann von ihrer Familie trennen, „wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen". Merten zufolge schützt dieser Artikel die Rechte von Eltern, ohne Kindern einen Anspruch auf rechtzeitige Hilfe durch die staatliche Gemeinschaft zu geben. Vorbeugende Maßnahmen seien nur mit dem Einverständnis der Eltern möglich. „Wie können Erzieherinnen und Lehrer gefährdeten Kindern helfen, wenn die Eltern keine Notwendigkeit sehen?", fragte Merten. Bevor Fachkräfte und insbesondere die Jugendämter aktiv werden könnten, müsse eine objektive Verletzung des Kindeswohls eingetreten sein. Um vorbeugende Maßnahmen einleiten zu können, brauche man eine Erweiterung des Grundgesetzes. Als Vorbild verwies der Sozialpädagoge, der an der Universität Jena einen Lehrstuhl für außerschulische Bildung hat, auf die seiner Ansicht nach positiven Auswirkungen von Grundgesetzänderungen zugunsten von Frauen und Behindert

Steeb: Warnung vor ideologischer Bevormundung von Familien

Dagegen hält Steeb eine Verfassungsänderung nicht nur für unnötig, sondern gesellschaftspolitisch auch für gefährlich. Die Bestimmung im Artikel 1, dass die Würde des Menschen unantastbar und vom Staat zu schützen sei, gelte auch für Kinder. Sie müsse nur konsequent angewandt werden. Ohne den entsprechenden Willen bleibe eine Erweiterung des Grundgesetzes wirkungslos, wie die Aufnahme von Behinderten in den Katalog der besonders zu Schützenden gezeigt habe. So dürften etwa Ungeborene, die vermutlich schwer behindert zur Welt kommen, noch im achten Monat straffrei abgetrieben werden. Außerdem warnte Steeb davor, Jugendämtern und anderen Anwälten des Kindeswohls mehr Eingriffsmöglichkeiten in die Familien zu geben. Was für Kinder gut sei, wüssten ihre Eltern meistens am Besten. Sie sollten in Krisensituationen pädagogisch begleitet und finanziell gestärkt werden. Wenn der Staat definieren dürfe, was dem Kindeswohl diene, bestehe die Gefahr einer ideologischen Bevormundung von Familien. Beispielsweise könnte der Staat aus dem jetzigen Anspruch auf einen Kindergartenplatz eine Pflicht zum Besuch von Kindertagesstätten machen. Dann müssten Eltern, die ihre Kinder zu Hause behalten wollen, möglicherweise mit staatlichen Sanktionen rechnen.