02.02.2006

Streit um Mohammed-Karikaturen: Inszenierte Wut?

Islam-Wissenschaftlerin: Der Westen darf sich nicht einschüchtern lassen

Streit um Mohammed-Karikaturen: Inszenierte Wut?

Islam-Wissenschaftlerin: Der Westen darf sich nicht einschüchtern lassen

K o p e n h a g e n / B o n n / S o e s t (idea) – Im weltweiten Streit um Mohammed-Karikaturen warnt die deutsche

Islamwissenschaftlerin Prof. Christine Schirrmacher (Bonn)

vor Überreaktionen aus der muslimischen Welt. Die islamkritischen Zeichnungen, die die dänische Zeitung Jyllands-Posten (Aarhus) im Herbst 2005 veröffentlichte und die inzwischen andere europäische Blätter nachdruckten, haben in der islamischen Welt eine Welle der Empörung und Wut ausgelöst. Die Reaktionen reichen von Boykottaufrufen bis zu Terrordrohungen, obwohl sich die presserechtlich Verantwortlichen und der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen inzwischen entschuldigt haben. Frau Schirrmacher, Leiterin des Instituts für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz, sprach gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea von „dramatisch aufgebauschten Szenerien“. Man müsse fragen, ob die Ausschreitungen mit der Verbrennung dänischer Fahnen und Anschlagsdrohungen inszeniert worden seien. Der Westen dürfe sich nicht in eine Haltung drängen lassen, „die dem Nichtmuslim jedes Recht auf Kritik am Islam abspricht“. Am Ende einer solchen Einschüchterung stehe eine Pressezensur, „die die Deutungshoheit über den Islam nur noch Muslimen gestattet“.

Haßtiraden gegen Juden und Christen

Die Islamwissenschaftlerin fragt: „Leben wir dann am Ende in einer muslimischen Leitkultur mitten in Europa?“ Zugleich mahnt sie den Islam, nicht nur für sich Respekt einzufordern, sondern auch selbst respektvoll mit anderen Religionen umzugehen. Man müsse auch die „alltäglichen antisemitischen Äußerungen“ in der arabischen Welt, die Beleidigungen westlicher Länder und Politiker sowie die „Haßtiraden gegen Juden und Christen“ ansprechen.
Bischöfin: Muslime bestätigen die Karikatur

Die hannoversche Landesbischöfin

Margot Käßmann

empfindet die Reaktionen ebenfalls als „absolut unangemessen“ und „durchaus gezielt gesteuert“. Auch Christen empfänden manchmal, daß ihre Gefühle verletzt würden, aber die Antwort dürfe nicht die Drohung mit Gewalt sein, so die Bischöfin in der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“. Der Islam werde immer mehr mit Terror gleichgesetzt. Frau Käßmann: „Eigentlich müßten Muslime dagegen aufbegehren, daß in ihrem Namen Gewalt verübt wird. Aber im Moment bestätigen sie ja die Karikatur.“

Islam-Institut: Weder Mohammed noch Jesus dürfen verunglimpft werden

Der Senior-Direktor des Zentralinstituts Islam-Archiv, Salim Abdullah (Soest), kritisiert die Verunglimpfung des Islam durch die Karikaturen ebenso wie die Drohungen gegen die Verantwortlichen. „Auch mich verletzen diese Karikaturen“, sagte er gegenüber idea. Die Meinungsfreiheit dürfe nicht dazu führen, „daß das Glaubensbild eines anderen in der Öffentlichkeit verunglimpft wird“. Muslime duldeten dies weder im Hinblick auf Mohammed noch auf Jesus, der im Islam als Prophet verehrt wird. Allerdings lehre der Koran, daß in Glaubensfragen kein Zwang ausgeübt werden dürfe. Deshalb dürfe man Andersdenkende nicht bedrohen.
Dänischer Pietist: Verbot solcher Karikaturen in einer Demokratie nicht möglich
Der Generalsekretär der pietistischen Lutherischen Missionsvereinigung in Dänemark, Jens Ole Christensen, vertrat gegenüber idea die Ansicht, daß man einer Zeitung in einem demokratischen Land nicht verbieten könne, solche Karikaturen zu drucken. „Trotzdem habe ich absolut keine Sympathie für das, was die Redakteure von Jyllands-Posten gemacht haben“, so Christensen. Die Karikaturen dienten lediglich der Provokation. Zu den Grundwerten einer Demokratie zähle auch der Respekt vor religiösen Symbolen.
Bischof: Verbrennen der dänischen Fahne mit Kreuz schlimmer als die Karikaturen
Der Bischof von Aalborg, Sören Lodberg Hvas, erklärte gegenüber Jyllands-Posten, im Westen habe man sich daran gewöhnt, „daß auf derbe, aber humoristische Art und Weise Witze über den Glauben und die Religion gemacht werden“. Das Verbrennen der dänischen Flagge mit dem christlichen Kreuz sei viel schlimmer als das Abdrucken von Karikaturen. „Im Verhältnis zu den selbstgerechten Imamen, die wir in dieser Angelegenheit erlebt haben, ist es geradezu eine Stärke des Christentums, daß es sich von anderen auch einmal lächerlich machen läßt.“