15.01.2002

Ergänzendes zu Afghanistan

Dass internationale Hilfsorganisationen ihre Arbeit in Afghanistan aktuell wieder aufnehmen - darunter auch "ShelterNow! Deutschland" - ist auch eine willkommene und gute Nachricht.




Die vorletzte Meldung enthielt einen Bericht zu Afghanistan. Ich habe darauf Rückmeldungen bekommen von Leuten, die selbst in jener Zeit in Kabul lebten oder sich zwischenzeitlich dort aufhielten. Folgender Bericht stammt von einem Afghanistankenner, der über mehrere Jahre dort lebte und die Verhältnisse genau kennt:





"Die Einschätzung, dass auch in absehbarer Zeit in Afghanistan keine wirkliche Religionsfreiheit sein wird, teile ich. Natürlich gab es seit den 60iger Jahren einzelne Christen, aber von einer "Gemeinde" konnte man da nicht viel reden. Eine grössere Zahl von Afghanen sind eigentlich ausserhalb des Landes, als Flüchtlinge in aller Welt, zum christlichen Glauben gekommen. So gab es auch "fellowships" (Gemeinschaften) in Peshawar und in Islamabad. Ob nach den Taliban noch 1.000 - 3.000 afghanische Christen im Land sind, bin ich mir nicht ganz so sicher. (Diese Ansicht teilen andere auch - Anm.d.Red.)



Die besagte Blindenschule wurde in den 60iger Jahren durch Betty Wilson ins Leben gerufen, aber sehr bald als eines der Projekte der IAM geführt. Diese Schule wurde bereits 1973 wieder geschlossen. In Verhandlungen mit der kommunistischen Regierung konnte ich allerdings 1979 ein neues Protokoll zur Rehabilitation von Behinderten mit dem Ministerium für Höhere Bildung unterzeichnen - damals mit Bild auf der ersten Seite der Kabul Times - und in diesem Rahmen konnten wir diese Arbeit wieder als ein IAM Projekt weiterführen.



Christy und Betty Wilson mussten im März 1973 das Land verlassen. Der König Zahir Shah hatte so um 1968/69 die Genehmigung zum Bau der Kirche für die "Kabul Community Christian Church" erteilt. Beim Spatenstich war ich zufällig damals dabei und habe als deutscher Vertreter ein Gebet gesprochen. Die Probleme mit der Kirche fingen dann im September 1972 an und am 16. Juli 1973 war dann der Abriss komplett und der Boden wieder eben, also auch die Grabungen zugedeckt.. Ab Spätherbst1972 gab es ein "Team" von drei Vertretern der Kabul Community Christian Church, die mit dem Bürgermeister von Kabul verhandelten, da die Diplomaten diese Verhandlung nicht direkt führen wollten. ... Wir drei (ein Engländer, ein Amerikaner und der Autor dieses Beitrags - Anm.d.Red.) verhandelten mit dem Bürgermeisterum den Erhalt der Kirche und die Botschafter der USA, Great Britain und Germany trafen uns regelmässig für Absprachen betreffs der Verhandlungen. Der König wollte auf alle Fälle den Abriss verhindern, doch er befand sich in einer Zwickmühle und sein Thron war nicht so sicher, da viele Kräfte an ihm sägten. Uns wurde sehr bald klar, dass Musa Shafiq, der damalige fundametalistische Premier den Abriss de Krche wollte. Was er aber vielleicht nicht durchschaute, war, dass die linken Kräfte unter dem Deckmantel der islamischen Fundamentalisten den Abriss der Kirche wollten, um den "Destabilisierungsprozess" voranzutreiben. In der Nacht, als die Bagger abzogen, nämlich vom 16.-17. Juli 1973 stürzte die Monarchie. Daud kam mit Hilfe der Kommunisten an die Macht; 1975 entledigte er sich ihrer und 1978 wurde er dann auch gestürzt und die klassische Phase der kommunistischen Machtübernahme wurde am 27. April 1978 eingeläutet.



Natürlich haben die Bagger auch das Fundament herausgerissen und wohl auch etwas gegraben, da die in unmittelbarer Nähe befindliche russische Botschaft sicher sein wollte, dass die "Fussbodenheizung" nicht doch etwas mit "Spionage" zu tun hat, denn schliesslich gab es nicht nur "religiöse" sondern auch "politische" Gerüchte. Aber das Gerücht, dass sie nach der "Untergrundkirche" suchten und daher 4 Meter gegraben haben - und niemand hat ganze 4 Meter gegraben, war gleich von Anfang an ein "Witz", wer immer den auch in Umlauf brachte. Aber auch Christen sind in solch einem spannenden Land nicht ganz vor Folklorebildung gefeit, lebten wir doch in einer "verbalen Kultur", in der man Geschichten erst weitererzählt und erst später, oft etwas gefiltert und vielleicht auch blumiger, niederschreibt..."