15.10.2001

Skepsis waechst

Immer mehr Aerzte misstrauen den Heilungsversprechen der Gentechnik-Lobby

Skepsis waechst

Immer mehr Aerzte misstrauen den Heilungsversprechen der Gentechnik-Lobby

Erfurt/Bonn (ALfA). Die Zahl der Mediziner, die sich kritisch zu den mit den neuen Methoden der Gentechnik verbundenen Heilungsversprechungen aeussern, steigt. Die Erwartungen in die Gentechnik seien in vielen Punkten zu gross, lautet der Tenor der staerker werdenden Kritik. "Es werden nur Hoffnungen geschuert", kritisierte jetzt der Jenaer Humangenetiker Uwe Claussen auf einem Forum in Erfurt. Die berichtet die Thueringer Landeszeitung (Ausgabe vom 24.08.2001). Auf dem Forum, das gemeinsam von der den Gruenen nahestehenden Heinrich Boell-Stiftung und Katholischem Forum, veranstaltet wurde, sagte Claussen, Krebs sei nicht gleich Krebs und Alzheimer verlaufe auch bei jedem Menschen anders. Das Wundermittel gegen die Geisseln der Menschheit sei von der Gentechnik nicht zu erwarten.

Hoffnung hegt Clausen der TLZ zufolge jedoch im Hinblick auf neue Erkenntnisse, die durch die Gentechnik zutage gefoerdert wuerden. Wenn das menschliche Genom erst einmal vollstaendig entschluesselt sei, werde man zu der Erkenntnis gelangen: "Den normalen Menschen gibt es nicht. Jeder Mensch traegt in sich Krankheitsgene." Und das hiesse: Die Grenze zwischen Behinderten und Nichtbehinderten wuerde verwischen.

Unterdessen hat der Bonner Lungenspezialist Santiago Ewig, wie die katholische Zeitung "Die Tagespost" in ihrer morgigen Ausgabe (25.08.) berichtet, unter dem Titel "Heilungsversprechen versus Menschenwuerde - Elemente einer Kritik der neuen Biotechnologien" ein 26seitiges Papier zu dem Themenkomplex veroeffentlicht, das einem Brandsatz gleichkommt.

Darin nennt Ewig es "ethisch bedenklich, in einem so unabsehbaren Stadium der Forschung bereits Heilungsversprechen auszusprechen und somit bei Betroffenen Hoffnungen zu wecken, fuer die die Grundlagenforscher gar nicht aufrichtig einstehen koennen." Weiter heisst es darin: "Ganz und gar unverantwortlich ist die Praxis, Betroffene mit Heilungsaussichten aktiv zu mobilisieren und im Sinne von pressure groups politisch zu instrumentalisieren." Echte Heilungsversprechen seien "etwas qualitativ anderes sind als Aussichten auf Erweiterungen und Verbesserungen der therapeutischen Moeglichkeiten, naemlich potentiell aggressive Utopien."

 

Vieles, resuemiert der Autor am Schluss des Papiers, spreche dafuer, "dass wir es bei der biotechnologischen Utopien wie der embryonalen Stammzellforschung, aber auch dem therapeutischen Klonen und der PID nach dem Zusammenbruch der politischen Ideologien des Kommunismus und des Nationalsozialismus mit Elementen innerhalb eines neuen Typs der Ideologiebildung zu tun haben, der Bioideologie der absoluten Gesundheit. Gegen diese den aerztlichen common sense eines nuechternen, forschrittsfreundlichen, aber ethisch unbestechlichen Pragmatismus zu bewahren, das erscheint zunehmend als Herausforderung der Gegenwart."