15.06.2001

Die Prioritäten blieben unklar

Hartmut Steeb zum Abschluß des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Frankfurt

Die Prioritäten blieben unklar

Hartmut Steeb zum Abschluß des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Frankfurt

Der Deutsche Evangelische Kirchentag 2001 lässt sich in seiner ungeheuren Vielfalt mit wenigen Worten ganz sicher nicht in jeder Hinsicht zutreffend beurteilen. Jeder konnte ihn nur in winzig kleinen Ausschnitten erleben. Und selbst die öffentliche Berichterstattung in Presse, Funk, Fernsehen und im Internet vermitteln kein vollständiges Bild sondern nur absichtlich oder zufällig ausgewählte verkürzte Einblicke. Wenn man bedenkt, dass ca. 1/3 aller Besucher als Mitarbeiter dort sind, ist er im wesentlichen keine Veranstaltung, die von einigen für Viele gemacht wird sondern ein Mitmach-Kirchentag. Das dahinter steckende ehrenamtliche Engagement ist beachtlich und anerkennenswert.

Jeder macht sich seinen eigenen Kirchentag zurecht

Vielleicht konnte sich in diesem Jahr jeder noch viel mehr als in früheren Jahren seinen eigenen Kirchentag herausschneiden: Einen frommen, einen erwecklichen, einen glaubensstärkenden, einen im Glauben eher Verwirrung stiftenden, einen von Verirrungen gekennzeichneten, einen Fun-Kirchentag, einen musikalischen, einen gesellschaftspolitischen und noch viele andere Varianten. Und dabei viel auf, dass diese pluralistische allseitige Akzeptanz wohl noch größer und selbstverständlicher war als bei früheren Kirchentagen. Das Positive daran ist: Die Extreme – und deren gab es auch jetzt wieder mehr als genug – standen nicht mehr im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Und das ist gut so.

Wenn alles gleich gültig ist, folgt bald die Gleichgültigkeit

Was von Vielen als Stärke der Vielfalt angesehen wird, als begrüßenswerte friedliche Koexistenz vom Grundsatz her unterschiedlicher Positionen, offenbart nach meiner Ansicht aber doch auch zugleich eine bedenkliche Schwäche: Wenn denn im Grunde alles als gleich gültig angesehen wird, ist der Weg zur Gleichgültigkeit geebnet. Es fehlt der Streit um die Wahrheit. Nicht der Streit um die Wahrheit in gesellschaftlichen Ermessensfragen sondern der Streit um die Wahrheit in den existentiellen Fragen des Glaubens und des Lebens, auch des Lebens der Kirche in der Zukunft. Die Prioritätenfrage wird offengelassen. Dabei wäre doch das Wichtigste, Menschen in die persönliche Glaubensgemeinschaft mit dem lebendigen Gott zu rufen. Ein Kirchentag mit dieser eminenten Öffentlichkeitswirkung müsste den öffentlichen Anreiz – und darin dann wohl auch echten Anstoß - zum Glauben an den lebendigen Gott geben. An den Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist, für unsere Sünden am Kreuz von Golgatha gestorben ist, den Gott auferweckt hat und der wiederkommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten. Würde dies zentraler und eindeutiger von allen Bühnen geschehen, dann gäbe es mit Sicherheit natürlich auch mehr echten Ärger über diese Botschaft der Einzigartigkeit von Jesus Christus.

Die Herrschaft von Jesus Christus müßte deutlicher hervortreten

Dann aber wäre zu fragen, wie wir einerseits in unserem persönlichen Leben und andererseits in unserem Eingebundensein in diese Gesellschaft die Herrschaft von Jesus Christus bezeugen und zur Geltung kommen lassen könnten. Gerade diesen Blickwinkel aber fand man nur im Winkel. Und darum bleibt bei mir der Eindruck, dass der Kirchentag als Ganzes zwar viel Eindruck macht, aber doch letztlich zu wenig zu einer an der Herrschaft Gottes ausgerichteten Orientierung und Neubesinnung beitrug. Schade!

Hartmut Steeb
Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz