15.07.2001

Embryonen zu Forschungszwecken hergestellt

Reaktionen aus Politik, Kirche und Wissenschaft

Embryonen zu Forschungszwecken hergestellt

Reaktionen aus Politik, Kirche und Wissenschaft

Die Kritik an dem Vorstoss von US-Forschern, Embryonen gezielt fuer die Forschung zu erzeugen, weitet sich aus. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verurteilte die Praxis scharf.

Der Vizepraesident des Kirchenamts der EKD, Hermann Barth, nannte sie amDonnerstag in Hannover "verwerflich und nicht akzeptabel". "Die Entwicklung in den USA verstaerkt die Befuerchtung, dass auch in Deutschland am Ende so etwas passiert." Die EKD habe sich seit langem in jeder Form gegen den Gebrauch von Embryonen in der Forschung ausgesprochen. Barth kritisierte aber auch die bereits praktizierte Verwendung sogenannter "ueberzaehliger" Embryonen zu Forschungszwecken in Deutschland. "Das ist ein Tueroeffner fuer die Herstellung von Embryonen, die dann nichts anderes sind als Material fuer die Forschung", sagte Barth. "Das steht im krassen Gegensatz dazu, wie wir den menschlichen Embryo ethisch verstehen."

 

Auf die Gefahr wies auch die Landesvorsitzende der Gruenen, Renée Krebs, hin: "Manchmal ist es erschuetternd, mit ethischen Dammbruch- Prognosen Recht zu behalten." Die Bundesregierung koenne nicht garantieren, dass es in Deutschland bei der Verwendung "ueberzaehliger" Embryonen bleibe. Krebs plaedierte dafuer, stattdessen die Forschung an unumstrittenem Material von Erwachsenen (adulte Stammzellen) staerker zu foerdern.

Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) kritisierte den Vorstoss der US-Forscher. Er bedauere den amerikanischen Tabubruch, sagte DFG-Praesident Ernst-Ludwig Winnacker dem Berliner "Tagesspiegel" (Ausgabe vom 12.07.2001) Es sei gut, dass das deutsche Embryonenschutzgesetz diese Methode verbiete. Ausserdem, so Winnacker, koenne er in dem Vorstoss "keinerlei wissenschaftlichen Durchbruch" sehen. Die DFG ist auch gegen den Import von Stammzellen aus speziell dafuer erzeugten Embryonen.

"Bei der gezielten Zucht von Stammzellen fuer die Forschung handelt es sich um eine Instrumentalisierung menschlicher Lebensformen", zitiert die "Financial Times Deutschland" (Ausgabe vom 13.07.) Wolfgang van den Daele. Der Soziologe ist Mitglied des Nationalen Ethikrats. Deshalb halte er die bisher angewandte Form der Gewinnung von Stammzellen fuer die "gebotene Loesung", so Daele.

Bisher verwendeten Forscher weltweit nur Embryonen aus Eizellen, die bei kuenstlichen Befruchtungen uebriggeblieben waren. Als erstes Forschungslabor hatte das Jones Institut fuer Reproduktionsmedizin in Norfolk (Virginia) am Mittwoch berichtet, dass es Embryonen rein zu Forschungszwecken produziert. Anders als in Deutschland ist in den USA die kuenstliche Herstellung von Embryonen, die nicht der Fortpflanzung dienen, erlaubt; es gibt dafuer aber keine staatliche Foerderung.

Van den Daele warnte davor, sich in Deutschland in eine "falsche Diskussion" zu verstricken. Die durch das US-Experiment ausgeloeste Debatte greife schon viel zu weit voraus und schade dem Meinungsbildungsprozess in Deutschland in diesen heiklen Fragen. Es gehe erst einmal darum, generell ueber den Import von Stammzellen zu entscheiden. Dazu will der Nationale Ethikrat im Dezember offiziell Stellung beziehen.

Die Gefahr, dass es in Deutschland Nachahmer fuer die gezielte Embryonenzucht geben koennte, schaetzt van den Daele als gering ein. "Entsprechende Interessen mag es geben, aber das waere deutschen Forschern zu riskant", sagte er. In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken. Missachtung wuerde mit hohen Strafen geahndet. Ausserdem sei die Zuechtung von Embryonen zu Forschungszwecken "gar nicht noetig, weil es genuegend uebriggebliebene Embryos fuer Experimente gebe".

Als verantwortungslos kritisierte Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) die Herstellung von menschlichen Embryonen fuer Forschungszwecke. In einem Interview der "Frankfurter Rundschau" (Ausgabe vom 12.07.) sagte sie, die Forscher in den USA haetten Frauen zu "Eizellen-Lieferantinnen" gemacht und andere, verantwortungsvolle Stammzellenforscher diskreditiert.

Bulmahn bekraeftige aber, sie halte die Forschung mit ueberschuessigen Embryonen fuer verantwortbar. Denn diese wuerden ohnehin getoetet. Kritik kam auch von der Vorsitzenden der Enquete-Kommission fuer Recht und Ethik des Bundestages, Margot von Renesse (SPD). "Menschliches Leben darf man nicht produzieren, um es gleich anschliessend zu vernichten", sagte sie. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitsgruppe in der Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin", Werner Lensing, bezeichnete das Vorgehen der US-Forscher als "ungeheuerlich". Schon die bisherigen Erklaerungsversuche von Forschern, dass zur Gewinnung embryonaler Stammzellen lediglich uebriggebliebene Embryonen eingesetzt werden, seien kaum ueberzeugend. "Dass nun ungeniert die Instrumentalisierung von Embryonen schon bei deren Erzeugung beginnt, stellt eine neue Dimension der Eskalation dar", sagte Lensing.

Weit aus dem Fenster lehnte sich die Vorsitzende des Bundestags-Forschungsausschusses, Ulrike Flach (FDP). Sie sagte, sie wuerde "aus ethischen Gruenden keinen Anstoss daran nehmen", wenn in Einzelfaellen und staatlich kontrolliert auch in Deutschland Embryonen ausschliesslich zur Stammzellengewinnung erzeugt wuerden. Diese Position sei jedoch nicht mehrheitsfaehig. Daher werde ihre Fraktion im Herbst bei der Parlamentsentscheidung zur Stammzellenforschung beantragen, nur ueberzaehlige Embryos zu verwenden.

Der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle sagte, die FDP sei zwar fuer ein Klon-Verbot, unterstuetze jedoch die Verwendung embryonaler Stammzellen bei der Bekaempfung toedlicher Krankheiten. Ob er in diesem Zusammenhang auch die Zuechtung von Embryos rein zu Forschungszwecken befuerworten wuerde, liess Westerwelle offen.