06.12.2001

Tabubruch: US-Forscher klonen menschliche Embryonen zu Forschungszwecken

Die Sensation war perfekt. Am vergangenen Sonntag wartet das us-amerikanische Biotech-Unternehmen "Advanced Cell Technology" (ACT) mit Firmensitz in Worcester im US-Bundesstaat Massachusetts mit der Nachricht auf, es habe den weltweit ersten menschlichen Embryo geklont. In einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender CNN erklaerte ACT-Praesident und Geschaeftsfuehrer Michael West, der die Arbeit seines Forscherteams als "ersten Schritt zur regenerativen Medizin" verstanden wissen wollte, sein Unternehmen klone menschliche Embryonen ausschliesslich zum Zwecke der Gewinnung von embryonalen Stammzellen.

Der Grund: Aus den Stammzellen differenzieren sich im Laufe der koerperlichen Entwicklung des Menschen saemtliche der rund 220 verschiedenen Zelltypen (z.B. Hautzellen, Muskelzellen, Leberzellen, Gehirnzellen etc.), aus denen der menschliche Koerper aufgebaut ist. Dieses Potenzial wollen Forscher nutzen, um damit Krankheiten zu heilen, die, wie Alzheimer oder Parkinson bislang als unheilbar gelten. Denn die Wissenschaftler glauben, dass sich der Prozess der Differenzierung auch kuenstlich ausloesen lasse.

Durch entsprechende Manipulation sollen die noch undifferenzierten Stammzellen im Labor in differenzierte Zellen verwandelt und zur Vermehrung angeregt werden. Auf diese Weise ließe sich theoretisch jede Gewebeart zuechten und erkranktes Gewebe durch gezuechtetes ersetzen. Die gezuechteten Zellen sollen danach auf den Patienten uebertragen werden und an den Orten, an denen sich die Krankheit ausbreitet die Funktion der abgestorbenen Zellen uebernehmen.

Wie ACT-Forscher in der Fachzeitschrift "The Journal of Regenerative Medicine" berichten, haetten ihnen fuer das jetzt bekannt gegebene Experiment sieben Frauen im Alter zwischen 24 und 32 Jahren insgesamt 71 Eizellen zur Verfuegung gestellt. Daraus seien 39 ausgesucht worden, mit denen auf zwei verschiedene Arten geforscht worden sei. Aus 17 Eizellen haetten die Forscher zunaechst den Zellkern mit der muetterlichen Erbinformation entfernt. In die entkernten Eizellen seien dann die Erbinformationen aus Hautzellen erwachsener Menschen uebertragen worden. Nach dieser Methode, dem sogenannten Kerntransfer, war nach 271 Versuchen auch das Klonschaf Dolly entstanden. Und auch die ACT-Forscher melden Erfolg. Einige der so geklonten Embryonen haetten sich bis weit ueber das Acht-Zell-Stadium hinaus entwickelt. Aus den Klonen (menschlichen Embryonen, deren Erbinformation mit der bereits geborenen Menschen identisch ist) sollen nun die embryonalen Stammzellen gewonnen werden. Dafuer muessen die geklonten Embryonen getoetet werden.

Laut West duerften jedoch noch wenigstens zehn Jahre vergehen, bis embryonale Stammzellen Diabetiker und Patienten mit der Parkinsonschen Krankheit und Alzheimer heilen, verschlissene Organe und Muskel ersetzen oder die durchtrennten Nervenstraenge von Querschnittsgelaehmten wieder verbinden koennen. Wie viele Embryonen dafuer durch Klonierung erzeugt und hinterher getoetet werden muessen, sagte er nicht. West raeumte allerdings ein, dass das Klonen von Embryos und ihre Toetung zu Forschungszwecken sehr umstritten sei. Die gegenwaertige Debatte verglich der ACT-Geschaeftsfuehrer mit der, die vor Jahrzehnten, um die kuenstliche Befruchtung gefuehrt worden. Dabei betonte er ausdruecklich, dass sein Unternehmen keine geklonten Menschen in die Welt setzen wolle. Dem Fernsehender NBC sagte West in einem weiteren Interview: "Wissenschaftlich betrachtet, biologisch gesehen, sind die Gebilde, die wir schaffen, keine Individuen. Es sind nur lebendige Zellen, kein menschliches Leben".

Allerdings musste West zugeben, dass, sollte der Embryo in die Gebaermutter einer Frau eingepflanzt werden, er "wahrscheinlich zu einem Menschen" werde. Sein Unternehmen, sann der ACT-Chef auf Beruhigung, habe allerdings "radikale Massnahmen" ergriffen, um sicherzustellen, dass durch die angewandte Technik kein geklonter Mensch entsteht.