12.08.2001

Bericht - Was vor 2000 Jahren galt, ist auch heute noch wegweisend

Blankenburger Allianz-Konferenz legt die Bibel als Glaubensstärkung aus

Bericht - Was vor 2000 Jahren galt, ist auch heute noch wegweisend

Blankenburger Allianz-Konferenz legt die Bibel als Glaubensstärkung aus

Rote Haare von Jesus Freaks neben weißen Diakonissen-Häubchen, alte Kirchenlieder mit anschließender Blasmusik und danach ein modernes Anbetungslied, elf Vollversammlungen und 22 Seminare, konzentriertes Zuhören auf 15 Bibelauslegungen und engagiertes Diskutieren in Kleingruppen - das ist die fünftägige Bad Blankenburger Allianz-Konferenz, die Anfang August zum 106. Mal in dem thüringischen Kurort stattfand. Für die Organisatoren von der Deutschen Evangelischen Allianz ist es immer wieder ein Wunder, daß regelmäßig etwa 3.000 Gäste kommen. Damit ist die Konferenz die am besten besuchten kirchliche jährliche Veranstaltung in den neuen Bundesländern. Jeder vierte war zum ersten Mal dabei; rund zwei Drittel sind jünger als 27 Jahre alt. Etwa 20 Prozent stammen aus Westdeutschland.

Ein ständiges Wunder ist aber auch, daß die Besucher die bewußt als Glaubensstärkung konzipierten Bibelarbeiten wie trockene Schwämmen aufsaugen. Denn eigentlich handelt es sich nur um Hilfen, einen 2000 Jahre alten Text besser zu verstehen - in diesem Jahr den zweiten Brief des Paulus an seinen Mitarbeiter Timotheus. Nach Ansicht des Vorbereitungskomitees genügte es, die Situation des in Rom eingesperrten Paulus und seine Ermahnungen darzustellen, anstatt beides krampfhaft in die Gegenwart zu übertragen. Die Zuhörer seien selbst in der Lage, zu erkennen, was sich bei ihnen oder in ihren Gemeinden ändern sollte, so die Überzeugung. In der Tat: Die Aufforderung des Paulus, junge Christen in die Verantwortung für die Verkündigung einzubeziehen und sie entsprechend zu schulen, muß man nicht mit Vorgängen in heutigen evangelikalen Werken illustrieren. Es reiche, sich die Erfordernisse der verfolgten Gemeinden im ersten Jahrhundert vor Augen zu halten, um zu erkennen, was damals - und heute - dran ist, sagte der Präsident der Europäischen Evangelischen Allianz, Nick Nedelchev aus Sofia (Bulgarien). Auch die Mahnungen des Apostels, innergemeindliche Spannungen nicht durch fromme Sprüche zuzukleistern oder durch theologische Streitereien den Auftrag, Menschen vor der ewigen Verdammnis zu bewahren, zu versäumen, sind auch ohne weitere Beispiele einsichtig.

Nur gelegentlich machten die Bibelarbeiter Exkurse zur Tagespolitik, etwa im Blick auf das Lebenspartnerschaftsgesetz. Der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), Pfarrer Christoph Morgner (Siegen), bezeichnete die Einführung von „Homo-Ehen“ als Verstoß gegen das biblische Menschenbild, das gelebte Homosexualität kategorisch ablehne. Deshalb dürften die Kirchen auch keine Segnungen gleichgeschlechtlicher Partner vornehmen. Evangelikale, die diese biblische Position öffentlich bezeugten, müßten damit rechnen, als Spielverderber, Außenseiter und Feinde des Menschengeschlechts verunglimpft zu werden. Damit befänden sie sich in der Tradition des Paulus, der wegen seiner Treue zu Gott sogar hingerichtet worden sei. Auch der frühere Allianz-Vorsitzende, Superintendent i.R. Jürgen Stabe (Annaberg-Buchholz/Erzgebirge), mahnte die überwiegend jugendlichen Teilnehmer, mit gesellschaftlichen Nachteilen zu rechnen. Er erinnerte an die DDR-Zeiten, als Schlägertrupps der damaligen Freien Deutschen Jugend (FDJ) gezielt gegen Mitglieder von Studentengemeinden vorgingen, kommunistische Lehrer Kinder aus christlichen Elternhäusern verspotteten und Jacken mit dem Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ öffentlich zerrissen wurden. Dennoch hätten es die Feinde des Christentums nicht geschafft, das Vertrauen zu Gott zu zerstören. Und der baptistische Liedermacher Jörg Swoboda (Buckow bei Berlin) verband das Bekenntnis, daß Jesus dem Tod die Macht genommen habe, mit einem Nein zu Abtreibungen.

Gelegenheiten, das Wort Gottes auf den Alltag anzuwenden, boten die Seminare, beispielsweise zur Zukunft von Ehe und Familie, zum Umgang mit Behinderungen und zum Engagement in Politik und Medien. Daneben gab es zahlreiche Seelsorgegespräche, in denen es neben der Frage nach Gott vor allem um die Klärung von Partnerschafts-Beziehungen, persönlichen Lebensfragen und Berufsentscheidungen ging. Besonders Jugendliche wollten wissen, was der christliche Glaube für den Umgang mit Geld, Zeit und Sexualität bedeute; wie sie sich auf die Ewigkeit vorbereiten könnten; was Gott mit ihrer Berufswahl zu tun habe; wie sie in ihrer Familie ein Zeugnis für die Liebe Gottes sein können, selbst wenn ihnen ihr Zuhause wie ein Vorgeschmack auf die Hölle vorkomme; wie sie ihre Ehe wieder in Ordnung bringen können; was sie als Christen, die mit Gottes Beistand rechneten, gegen Gewalt an der Schule, Ausländerhaß und Fremdenfeindlichkeit tun könnten ...

In den Rückmeldungen an die Organisatoren wird stets als besonders wohltuend erwähnt, daß Referenten und Seelsorger bewußt auf Belehrungen verzichten. Wenn die Mitte des Glaubens klar sei, könnten unterschiedlich geprägte Christus-Nachfolger Gelassenheit demonstrieren, beieinander bleiben, miteinander feiern und sich gemeinsam auf den Himmel freuen, meinte der Allianz-Vorsitzende Peter Strauch. Und sein Vorgänger, Rektor Rolf Hille vom Albrecht-Bengel-Studienhaus in Tübingen, bezeichnete es als Ermessensfragen, ob Christen rauchen und Alkohol trinken dürfen oder mit gefalteten oder erhobenen Händen beten sollen. Die Bibel gebe dazu keine endgültigen Antworten, so daß Christen sehr tolerant sein könnten, erläuterte Hille seine Skepsis gegenüber allen Versuchen, Mitchristen mit eigenen Erkenntnissen zu bevormunden.

Klaus-Peter Grasse