12.08.2001

40 Jahre Mauerbau

Fragen und Antworten an und von Hartmut Steeb,<br />Fragen und Antworten an und von Hartmut Steeb, dem Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz

40 Jahre Mauerbau

Fragen und Antworten an und von Hartmut Steeb,
Fragen und Antworten an und von Hartmut Steeb, dem Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz

 

In einem Interview mit ausländischen Journalisten hat Hartmut Steeb auf Fragen zum 40. Jahrestag geantwortet, die wir nachfolgend dokumentieren:

Inwiefern gehört die Teilung Deutschlands heutzutage allein der
Vergangenheit?

Steeb: Die Mauer war eine räumliche - menschlich gesprochen - unüberwindbare Teilung des deutschen Landes und der deutschen Nation. Wir sind dankbar, dass dieses Staatsgefängnis einer ganzen Bevölkerungsgruppe ein für allemal der Vergangenheit angehört. Unfreiheit und damit verbundener Friedelosigkeit in vielfältigen Formen ist deutsche Vergangenheit. Wir sind Gott dankbar, der dieser Wunder einer friedlichen Revolution und friedlichen Vereinigung unerwartet geschenkt hat.

Welche schwerwiegenden Folgen hat der damalige Mauerbau
heute noch für die Menschen in Deutschland?

Steeb: Was in Jahrzehnten der Diktatur und Trennung an Prägung aufgebaut wurde, kann nicht kurzfristig abgebaut werden. Manche Mauer in Köpfen und Herzen muß noch schmelzen. Und es muß auch noch zusammenfinden, was zusammengehört. Natürlich haben sich zum Teil auch harmlose Unterschiede zwischen Ost und West herausgebildet, z.B. Im Osten beginnt der Tagesrythmus im Durchschnitt früher und endet früher. Schwieriger ist, dass die Arbeitsethik mitunter tatsächlich noch von früheren Vorstellungen geprägt ist. Da und dort ist die Initiativkraft noch weniger ausgebildet.
Ein noch größeres Problem ist, dass die "Westdeutschen" sich in noch zu großem Ausmaß weigern, die Realitäten wirklich zur Kenntnis zu nehmen. Ein Großteil hat nach wie vor noch nicht einmal seinen Fuß in die neuen Bundesländer gesetzt. Nicht nur, dass es im Osten eine falsche contra-westliche Bildung gab; im Westen hat man viel zu sehr den Eindruck, dass der Osten auch geografisch weit weg wäre.
Leider haben die Menschen in den neuen Ländern nach der Wende nicht die Segnungen der sozialen Marktwirtschaft der fünfziger und sechziger Jahre erlebt - dem Staatskapitalismus ist vielmehr zum Teil der pure Privatkapitalismus gefolgt. Leider haben sich am "Aufbau Ost" neben vielen hervorragenden Fachleuten und kompetenten Menschen mit christlicher und edler Gesinnung auch viele unter rein materialistischen Gründen ihre Pfründe gesichert und mancher "Zweitklassige" wollte eine erstklassige Karriere machen.
Und schließlich hat die atheistische Prägung über mehr als 40 Jahre seine tiefen Spuren hinterlassen, die ja noch dadurch schlimmer ist, dass davor eine verirrte Diktatur ein verirrtes Christenbild abgab (Deutsche Christen und Nationalsozialismus). Nach dem Wegbruch des Kommunismus blieb ein großes Vakuum an geistiger, ethischer, geistlicher und weltanschaulicher Orientierung. Hier "holt der Westen zwar schnell auf", aber noch gibt es im Osten einen "Säkularisationsvorsprung".

Welchen Beitrag leistete die Deutsche Evangelische Allianz (und leistet heute noch?) jene Teilung zwischen den Kirchen und in der Gesellschaft überwinden zu helfen?

Steeb: Die Deutsche Evangelische Allianz West hat die Beziehungen auch während der Zeit der Trennung aufrechterhalten. So oft es möglich war, mindestens zweimal jährlich, gab es Besuche von Verantwortlichen. Es gab soweit als möglich Hilfe- und Unterstützung von West nach Ost.
Nach der Wende haben beide Vorstände rasch die Vereinigung beschlossen. Wir haben das im Unterschied zu staatlichen und kirchlichen Vorgängen allerdings so realisiert, dass sich West juristisch an Ost anschloss. Das schaffte ein zusätzlich Maß an Vertrauen, verhinderte weitgehend die mitunter sonst vorhan-dene "Minderwertigkeits-Stimmungen" und "Unterlegenheitsgefühle". Wir haben dies aber nicht nur wegen dieser beabsichtigten Vorteile getan sondern in erster Linie, weil wir die Dynamik und Vitalität der ostdeutschen Evangelischen Allianz als sehr wertvoll und erhaltenswert angesehen haben, die insbesondere durch das Zentrum "Evangelisches Allianzhaus in Bad Blankenburg/Thüringen" und durch die dort stattfindende jährliche Konferenz - seit 1886! - seinen Ausdruck fand und findet. Wir haben mit Freuden damit auch anerkannt, dass das Evangelische Allianzhaus eine "Heimstatt für die Evangelische Allianz" (so wollte es die Gründerin Anna von Weling 1886) ist. Im Unterschied zu anderen Glaubenskonferenzen der Evangelischen Allianz in verschiedenen Orten Deutschlands war und ist Bad Blankenburg die älteste, kontinuierlichste und über Jahrzehnte hinweg - auch und gerade während der letzten DDR-Jahre - die am stärksten besuchteste und jugendlichste Konferenz. In den letzten DDR-Jahren waren es ca. 80% unter 25 Jahren; noch jetzt prägen Jugendliche und Junge Erwachsene zu Zwei-Drittel die Konferenz. Deshalb ist auch Bad Blankenburg seit 1991 wieder die Hauptkonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz.

Wird dieser Jahrestag in irgendeiner Weise in der Allianz formell gedacht?

Steeb: Nein, wir legen keinen besonderen Wert auf Einzelgedenktage und feierliche Erklärungen. Uns liegt an der Basisnähe und am täglichen Leben der Überwindung der unseligen Geschichte der Teilung.