16.04.2020

Nicht jede Differenzierung ist automatisch diskriminierend

Ein Kommentar von Dr. Reinhardt Schink zu „geschlechterneutralen Ausgestaltung“ der Formulare durch die Bundesregierung

Diskriminierungsfreie Steuerformulare - im Ernst?

Sogenannte „Diskriminierungsfreie Steuerformulare“ – der Begriff klingt gut, aber wie viel Zeit, Gehirnschmalz und Geld wird notwendig sein, um eine vermeintliche Diskriminierung durch die Worte „Ehe“, „Frau“ und „Mann“ zu eliminieren und durch Person A und Person B zu ersetzen? Jedenfalls sei die geplante geschlechterneutrale Ausgestaltung der papiergebundenen Steuererklärungsvordrucke und der Formulare der elektronischen Steuererklärung nur langfristig umsetzbar, da Verfahren und Programme in den Finanzverwaltungen anzupassen seien, so das Finanzministerium. Überarbeitung von Steuerformularen – im Ernst? Ist das denn die richtige Prioritätensetzung, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen und zukunftsfähig zu bleiben?

Dass mit der Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare das Begriffspaar „Ehemann“ und „Ehefrau“ nicht mehr vollständig die Wirklichkeit dessen widerspiegelt, was nun unter Ehe verstanden werden soll, ist traurig genug, aber so ist die Gesetzeslage nun mal. Doch macht das die Ehe keineswegs überflüssig, und das muss auch in den Formularen deutlich werden.

Also, die Begrifflichkeiten sollen konsistent zum Gesetzestext und gleichzeitig alltagskompatibel sein, d.h. ohne Wortungetüme auskommen. Gleichzeitig dürfen auch die neuen Begriffe selber nicht diskriminieren. Genau dies aber tut das vorgeschlagene Neutrum, in dem es das Frau- und Mannsein zugunsten der Geschlechtslosigkeit zurücksetzt. Und überhaupt: Was ist mit den Personen, die weder Mann noch Frau noch Neutrum sind oder sein wollen? Oder denen „Person“ ohnehin viel zu statisch ist, da es das fluide Empfinden nicht wiederspiegelt?

Nun, wenn es um zwei Menschen geht, die einen lebenslangen verbindlichen Bund der Ehe miteinander eingegangen sind, wäre doch Ehepartner A und Ehepartner B passen. Aber halt, etwas ironisch zugespitzt formuliert: A kommt im Alphabet vor B – wie ungerecht! Bräuchte es dann nicht konsequenterweise ein diskriminierungsfreies Alphabet? Damit würde das nächste Großprojekt starten – oder wir kämen zur simplen Einsicht, dass nicht jede Differenzierung automatisch diskriminierend ist...

Dr. Reinhardt Schink

Generalsekretär