02.05.2016
Schönblick feiert 100-jähriges Jubiläum
Pietismus heute: Weltoffen, aber verbunden mit einer Liebe zur Bibel
Schönblick feiert 100-jähriges Jubiläum
Pietismus heute: Weltoffen, aber verbunden mit einer Liebe zur Bibel
Schwäbisch Gmünd (idea) – „Zu einer lebendigen Volkskirche gehört dazu, dass sie sich auch mit den Themen des Pietismus auseinandersetzt. Deshalb ist es mir wichtig mitzufeiern, wenn Pietisten ein großes Jubiläum begehen“, sagte die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer (Berlin), gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea während der Feiern zum 100-jährigen Jubiläum des Christlichen Gästezentrums Württemberg, dem Schönblick in Schwäbisch Gmünd. Es ist das Stammhaus der Apis, des Evangelischen Gemeinschaftsverbandes Württemberg, der größten pietistischen Vereinigung in der dortigen Landeskirche. Frau Schwaetzer zeigte sich beeindruckt vom Konzept des Gästezentrums, auch junge Familien einzubinden, damit sie körperlich und geistlich gestärkt werden. Im Blick auf die EKD-Synode meinte sie, Pietisten brächten sich dort mit großem Engagement ein. Für die baden-württembergische Landesregierung äußerte die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Theresia Bauer, der „Schönblick“ sei als Ort der Begegnung, Besinnung und Erholung eine Erfolgsgeschichte. Die Ministerin sprach in Vertretung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (beide Bündnis 90/Die Grünen), der aufgrund der grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen kurzfristig absagen musste.
Bischof: Integration des Pietismus in Württemberg fast ein Alleinstellungsmerkmal in der EKD
Nach Worten des württembergischen Landesbischofs, Frank Otfried July (Stuttgart), ist es dem Pietismus mit dem „Schönblick“ gelungen, Tradition und Moderne zu verbinden. In Württemberg hätten Landeskirche und Pietismus stets zusammen gewirkt. Diese besondere Integration des Pietismus sei fast ein Alleinstellungsmerkmal in der EKD. Die Pietisten trügen zur Vielfalt und Stärkung der Landeskirche bei. July ermutigte sie, im „Schönblick“ auch mit denen zu diskutieren, die andere theologische und ethische Anschauungen vertreten.
Api-Vorsitzender Kern: Wenn Pietisten kritische Fragen stellen
Der Vorsitzende der Apis, der EKD-Synodale und Pfarrer Steffen Kern (Stuttgart), sagte, Weltoffenheit und eine Liebe zur Bibel seien das Herzstück des Pietismus. Für die theologisch konservativen Protestanten, die zur evangelikalen Bewegung gehören, ist – so Kern – die Welt nicht gottverlassen, sondern ein Wunder. Davon wollten sie anderen mitteilen. Im „Schönblick“ fände deshalb jedes Jahr eine große Evangelisation statt, durch die die dazugehörige Evangelische Gemeinde stets wachse. Davon profitiere ebenso die Landeskirche, die dadurch neue Mitglieder bekomme. Grundsätzlich meinte Kern, auch Pietisten stellten kritische Fragen, aber sie würden dies mit einem großen Vertrauen in die Bibel tun.
Scheuermann: Die Geschichte des „Schönblicks“ ist nur als Wunder begreifbar
Der „Schönblick“ wurde vor 100 Jahren – also mitten im Ersten Weltkrieg – als Erholungsheim eröffnet. Besonders durch den jetzigen Direktor Martin Scheuermann und seine Frau Christine, die 1998 die Leitung übernahmen, entwickelte sich das Werk zum größten evangelischen Tagungszentrum im deutschsprachigen Europa. Im letzten Jahr haben 65.000 Gäste auf dem „Schönblick“ übernachtet, weitere 65.000 kamen als Tagesbesucher. Zu dem Zentrum gehören auch eine Christliche Gemeindemusikschule, ein Waldkindergarten, ein Alten- und Pflegeheim, eine Seniorenwohnanlage, ein Forum mit 1.000 Sitzplätzen und über 20 Tagungsräumen. Wie Scheuermann bekanntgab, ist eine Sanierung verschiedener Bereiche des „Schönblicks“ vorgesehen. Die Kosten dafür betragen 6,6 Millionen Euro. Die württembergische Landeskirche hat aus Kirchensteuermitteln 800.000 Euro Zuschuss gegeben. Der Rest muss durch Spenden und zinslose Darlehen zusammenkommen. Nach Ansicht Scheuermanns ist die bisherige Geschichte seines Zentrums mit seinen 190 Mitarbeitern nur als ein Wunder Gottes zu begreifen.
Diener: Die Kirche sollte die größte geistliche Not des Menschen ansprechen
Die Jubiläumsfeierlichkeiten mit insgesamt rund 2.000 Besuchern begannen mit einem Gottesdienst, in dem der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, zu dem die Apis gehören, Michael Diener (Kassel), predigte. Dabei sagte er, dass Christen sowohl auf Gott als auch auf das Miteinander mit anderen angewiesen seien. In besonderer Weise benötigten heute die zahlreichen Flüchtlinge Hilfe in Deutschland. Christen könnten sowohl praktisch und konkret anderen beistehen als auch ihre Anliegen „durch Gebet in die Gegenwart Gottes bringen“. Dies gelte für Fehlentwicklungen des Pietismus wie in der Kirche. Als Hauptaufgabe der Kirche bezeichnete er, die größte geistliche Not des Menschen – die Trennung von Gott – anzusprechen und auf die Versöhnung mit Christus hinzuweisen. Da, wo sie geschehe, ändere sich das Leben des Menschen und seiner Umwelt. Denn so würden Christen fähig, sich beispielsweise für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, sagte Diener, der auch Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz und Mitglied der Leitung der EKD, des Rates, ist.