30.01.2016
Rektorenwechsel an der FTH Gießen
„Die einseitige Diktatur der theologischen Ausbildung beenden“ Jede Gemeinde soll selbst wählen können
Rektorenwechsel an der FTH Gießen
„Die einseitige Diktatur der theologischen Ausbildung beenden“
Jede Gemeinde soll selbst wählen können
Gießen (idea/DEA) – Evangelische Kirchengemeinden sollten die Möglichkeit bekommen, sich auch Pastoren zu wählen, die evangelikale Ausbildungsstätten wie die Freie Theologische Hochschule Gießen (FTH) besucht haben. Dafür plädiert der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart). Bisher müssen landeskirchliche Pfarrer in der Regel an Kirchlichen Hochschulen oder Theologischen Fakultäten der Universitäten studiert haben. Steeb wörtlich: „Die einseitige Diktatur theologischer Ausbildung für den Pfarrerberuf muss ein Ende haben.“ Dann könnten Kirchenleitungen sehen, wie beispielsweise Absolventen der FTH „zum Segen für die Kirchen werden und für Wachstum sorgen“. Das sagte der Generalsekretär des evangelikalen Dachverbandes bei einem Festakt der Hochschule am 29. Januar in Gießen. Dabei wurde der langjährige Rektor der FTH, Prof. Helge Stadelmann (63), verabschiedet und sein Nachfolger, der bisherige Prorektor Prof. Stephan Holthaus (53), eingeführt. Die Ausbildungsstätte wurde 1974 als Freie Theologische Akademie gegründet, deren Rektor 1994 Stadelmann wurde. Er erreichte, dass sie 2008 als erste evangelikale Theologische Hochschule durch die hessische Landesregierung anerkannt wurde. Die Hochschule bezeichnet sich selbst als „bibeltreu, wissenschaftlich und praxisnah“. Ihre bisher etwa 900 Absolventen wirken als Pastoren bzw. Prediger in Freikirchen und Landeskirchlichen Gemeinschaften sowie als Missionare und Bibelschullehrer in 42 Ländern.
Lob von CDU wie Grünen
Bei der Feier zum Rektorenwechsel lobte der Präsident des hessischen Landtags, Norbert Kartmann (CDU, Wiesbaden), die FTH ebenso wie die Gießener Bürgermeisterin, Gerda Weigel-Greilich (Grüne). Sie würdigte insbesondere, dass es der Hochschule gelinge, sich vor allem aus Spenden zu finanzieren. Kartmann wünschte der FTH eine „gute Zukunft“. In seinem Festvortrag äußerte der Kirchenhistoriker Lutz von Padberg (Everswinkel bei Münster) die Auffassung, die evangelikale Hochschule habe erwiesen, dass das Bekenntnis zur Bibel als Wort Gottes kein Hindernis für die wissenschaftliche Forschung sei.
Von den Kirchen wird kein Wischiwaschi-Evangelium erwartet
Der neue Rektor, Prof. Stephan Holthaus, will die Theologie wieder attraktiver machen. Jahrhundertelang studierten nur die Besten das Fach Nr. 1 an den Universitäten, sagte er vor den rund 150 Festgästen. Heute führe die Theologie ein Schattendasein. Dabei müsse sie sich sowohl um Tiefgang wie um den Bezug zur Tradition bemühen. Die Tradition bezeichnete er als die Weitergabe „des Feuers der Vergangenheit“. Die Menschen erwarteten von den Kirchen weder eine Anpassung an den Zeitgeist noch ein Wischiwaschi-Evangelium.
(DEA) Grußwort Rektorenwechsel Freie Theologische Hochschule Gießen von Prof. Dr. Helge Stadelmann auf Prof. Dr. Stephan Holthaus, am 29.1.2016 in Gießen
Ich danke herzlich für die Einladung und überbringe gerne die Grüße der Deutschen Evangelischen Allianz zu diesem besonderen Festtag. Wir feiern ja heute kein Jubiläum der FTH, aber die Geschichte der FTH ist so intensiv mit dem scheidenden Rektor Helge Stadelmann und dem neuen Rektor Stephan Holthaus verbunden, wie siamesiche Zwillinge.
Wir als Deutsche Evangelische Allianz (DEA) schauen mit großer Dankbarkeit auf dein Lebenswerk, lieber Helge. Und wenn ich sage DEA, dann will ich betonen, als evangelikale Bewegung. Dieses Wort, das ja viele nicht mögen. Aber ich kenne kein besseres für die Bezeichnung unserer Bewegung. Und die Bundeskanzlerin hat es ja sauber definiert als „intensiv evangelisch“. Das ist sehr gut. Aber ich erlaube mir, die Bundeskanzlerin noch ein wenig zu verbessern. Weil nämlich in unserem Land bei „evangelisch“ immer die konfessionelle Ausrichtung Evangelischer Landeskirchen mitschwingt, könnte man sagen, evangelikal ist „intensiv evangeliumsgemäß“. Dazu passt dann auch, dass ich meine Grüße ausdrücklich auch im Namen der Koaltion für Evangelisation, der deutschen Lausanner Bewegung, sagen darf, dessen Vorsitzender ich derzeit auch bin. Denn die Lausanner Erklärung von 1974 ist auch eine der Basiserklärungen eurer Hochschule.
Wir können deinen Lebensweg, lieber Helge, heute nicht angemessen und ausführlich würdigen. Ich nenne nur zwei Punkte:
1. Du hast aus einer amerikanisch gegründeten biblischen Ausbildungsstätte eine staatlich anerkannte Theologische Hochschule gemacht. Das ist in der deutschen Wissenschaftslandschaft eine akademische Höchstleistung. Das zeigt aber auch den weiten globalen Horizont auf, in dem du lebst und arbeitest.
2. Du hast dafür gesorgt, dass das evangelikale – also das intensiv evangeliumsgemäße – Profil klar ist. Ich nenne dafür exemplarisch nur das Buch „Was Evangelikale glauben“, das wir Anfang 1989 in Bonn der Öffentlichkeit vorgestellt haben.
Ich sage dafür aufrichtig, herzlich, kurz und bündig: DANKE!
Ich bitte dich, auch in der künftigen Stellung des i.R.a.D. – also „im ruhigeren aktiven Dienst“ weiter deine Stimme zu erheben, in Wort und Schrift.
Und, lieber Stephan, du stehst natürlich genauso für diese FTH-Geschichte. Was wäre ein Stadel-Mann ohne ein Holt-Haus gewesen. Wenn ich auch zwei Punkte erwähnen darf:
1. Die Gründung des Instituts für Ethik und Werte. Das trägt dafür Sorge, dass der durchdachte Glaube konkrete Hilfe für die Lebensgestaltung bekommt. Denn genau das braucht unsere Gesellschaft mehr denn je, eine Ethik, die sich auf biblische Werte gründet. Denn besseres gibt es für diese Gesellschaft nicht. Und wenn man derzeit den Eindruck hat, diese Gesellschaft wolle sich von diesem Wertegerüst lossagen und verabschieden, dann will ich erst noch gerne wissen, nach welchen Werten sie sich dann gestalten wird. Ich lade gerne zu einem internationalen Werte-Wettbewerb ein. Dann können wir sehen, ob es besseres gibt.
2. Du gehörst ja auch dem Hauptvorstand der DEA an. Du hast entschieden mit Feder geführt bei unserer Schrift „Sucht der Stadt Bestes“, unserer politischen Magna Charta. Das passt genau dazu. Danke dafür.
Ich schließe mit einem doppelten Wunsch für dich und die FTH:
1. Selbstverständlich aber unverzichtbar: Gottes reichen Segen für dein Tun. Ich wünsche dir, dass du erfährst, dass du Gottes Segensgeschichte mit der FTH weiter führen und erleben darfst.
2. Weniger dir selbst als vielmehr den Kirchen in Deutschland und damit der ganzen Christenheit wünsche ich: So, wie Helge Stadelmann erlebt hat, das aus einer kleinen privaten Bibelschule eine staatlich anerkannte und geschätzte Hochschule wurde, so wünsche ich, dass die Theologischen Fakultäten in unserem Land und die Evangelischen Landeskirchen – ich darf das sagen, ich gehöre auch dazu! – ihren oft mitunter schwer verdaulichen fast grenzenlosen theologischen Pluralismus wenigstens auch durch eine institutionelle Pluralität bereichern und der FTH die volle kirchliche Anerkennung einer Theologischen Hochschule zukommen lassen. Die einseitige Diktatur theologischer Ausbildung für den Pfarrerberuf muss ein Ende haben.
Nein, es geht gar nicht in erster Linie darum, dass die FTH mehr Anerkennung findet. Ich sage zu den Kirchen gewandt: Geben Sie den Gemeinden die Freiheit, ihre Pastoren unabhängig von ihrer Ausbildungsstelle zu wählen. Sie werden sehen, wie dann Absolventen der FTH zum Segen für die Kirchen werden und für Wachstum sorgen. Worauf noch warten? Warum nicht starten? Der Propst aus Nordhessen ist schon da. Ein erster Anfang ist gemacht.
Gott mit euch, liebe Brüder!
Hartmut Steeb, 29.1.2016
- Es gilt das gesprochene Wort -