02.08.2014

119. Allianzkonferenz: Stieffamilien sind keine Familien zweiter Klasse

Ehe- und Familientherapeut Prof. Ulrich Giesekus: Kirchengemeinden sollten sich stärker für den rechten Glaubenker öffnen - Erfolg ist für viele ein Beweis für den rechten Glauben

119. Allianzkonferenz: Stieffamilien sind keine Familien zweiter Klasse

Ehe- und Familientherapeut Prof. Ulrich Giesekus: Kirchengemeinden sollten sich stärker für den rechten Glaubenker öffnen -

Erfolg ist für viele ein Beweis für den rechten Glauben

 

Bad Blankenburg (idea) – Stieffamilien werden in christlichen Kreisen häufig als Familien zweiter Klasse betrachtet. Das kritisierte der Ehe- und Familientherapeut und Dozent an der Internationalen Hochschule Liebenzell, Prof. Ulrich Giesekus, am 2. August bei der Jahreskonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg. Er wandte sich dagegen, von „Patchworkfamilien“ – also Flickenteppichfamilien – zu sprechen, weil dies bereits einen negativen Klang habe. Passender sei es, von „Fortsetzungsfamilien“ zu reden. Nach Giesekus’ Worten sind alternative Lebensformen, etwa Alleinerziehende oder wiederverheiratete Paare, von Gott nicht weniger gesegnet als traditionelle Familien. Das zeige ein Blick in die Bibel. Abraham und Sarah seien Geschwister gewesen. David habe mit Bathseba die Ehe gebrochen. Und Josef sei nicht der Vater von Marias Kind Jesus gewesen. Heute lebe die Mehrzahl der schulpflichtigen Kinder nicht mehr wie früher bei Vater und Mutter und Geschwistern. Giesekus ermutigte dazu, Gemeinden auch für Fortsetzungsfamilien zu öffnen. Aus seiner Beratungsarbeit wisse er, dass gerade solche Menschen offen seien für die Botschaft von Jesus Christus: „Sie merken, dass die christliche Gemeinde nicht nur ein Ort der Rechtschaffenen und Eingebildeten ist, sondern auch ein Ort der Heilung.“

„Noch nie waren so viele Paare so lange so glücklich zusammen“

Giesekus zufolge bleibt die Familie aus Vater, Mutter und leiblichen Kinder die ideale Lebensform. Stieffamilien seien jedoch kein Produkt der vergangenen 30 oder 40 Jahre. Vor 150 Jahren habe es deutlich mehr gegeben als heute. Das habe unter anderem daran gelegen, dass viele Frauen bei der Geburt eines Kindes starben oder Familienväter im Krieg fielen. „Noch nie waren so viele Paare so lange so glücklich zusammen wie heute“, sagte er. Der Grund: Die Menschen würden heute älter, und sie verfügten meist über höhere Beziehungskompetenzen als die Eltern- oder Großelterngeneration. Das Zusammenleben in einer Stieffamilie sei schwieriger und komplexer als in einer traditionellen, weil ein deutlich höherer Kommunikationsbedarf herrsche. Allerdings sei nachgewiesen, dass Familien, in denen ständig gestritten werde, für Kinder schädlicher seien als eine Trennung oder Scheidung der Eltern.

Auch unter Christen gibt es eine „Diktatur des gelingenden Lebens“

Bad Blankenburg (idea) – Eine „Diktatur des gelingenden Lebens“ beklagt der Theologe und Religionspädagoge Siegfried Zimmer (Stuttgart). Für viele Christen sei Erfolg wichtig und ein Beweis für den rechten Glauben: „Wenn du scheiterst, bist du ein Versager und selber schuld.“ In den USA gebe es sogar Gruppen, die regelmäßig beteten: „Lieber Gott, mach mich reich!“ Aber Gott sei kein Karriere-Gott. Scheitern sei nicht immer das Gegenteil von Segen, erklärte Zimmer am 2. August in einer Bibelarbeit bei der Jahreskonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg. Jesus sei dafür das beste Beispiel. Von einem gelingenden Leben könne man nicht sprechen, wenn jemand in jungen Jahren einen gewaltsamen Verbrechertod sterbe. Zimmer war von 1993 bis 2012 Professor für Evangelische Theologie und Religionspädagogik in Ludwigsburg. Die Evangelistin beim Missionswerk Campus für Christus, Birgit Fingerhut (Berlin), ermutigte die Konferenzteilnehmer, sich in schwierigen Situationen direkt an Gott zu wenden. Viel zu häufig versuchten Christen, ihre Probleme zunächst aus eigener Kraft zu lösen. Erst wenn alles nicht helfe, fingen sie an zu beten. Zwischenmenschliche Probleme sollten Christen regelmäßig vor Gott bringen, damit Bitterkeit und Groll sich nicht festsetzten.