15.12.2002

Auf in die Grosse Koalition: Zeitung waehnt Union vor Wende in der Biopolitik

Wuerzburg (ALfA). Die in der vergangenen Legislaturperiode verschiedentlich artikulierten Befuerchtungen, der Union sei in der Biopolitik ein klarer Kompass abhanden gekommen, erhalten nach Darstellung der in Wuerzburg erscheinenden katholischen Zeitung "Die Tagespost" (Ausgabe vom 12.12.2002) neuen Auftrieb.

Nachdem die forschungspolitische Sprecherin der Unionsfraktionen, Katharina Reiche in einem Zeitungsinterview geaeussert hatte, sie halte eine Reform des erst im Juli in Kraft getretenen Stammzellgesetzes fuer denkbar, falls deutsche Wissenschaftler im Ausland erhebliche Nachteile haetten, die importierten embryonalen Stammzellen mit Viren verseucht oder aus anderen Gruenden ungeeignet waeren, halte sich zur Zeit eine Biotechnologie-Delegation der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den Vereinigten Staaten von Amerika auf, der kein einziger Importgegner angehoere.

Neben der stellvertretenden Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Boehmer nehmen nach Darstellung der Zeitung an der Reise die Abgeordneten Werner Lensing, Helmut Heiderich und Vera Dominke (alle CDU) teil. Mit Ausnahme von Dominke, die zum ersten Mal in den Bundestag gewaehlt wurde, haetten alle Delegationsmitglieder bei der Abstimmung fuer den Import embryonaler Stammzellen gestimmt. Wie ein Sprecher der Fraktion mitteilte, sei es Ziel der Reise "Perspektiven der Debatte im Bereich Bio- und Gentechnologie in den USA auszuloten." Dabei staenden Themen wie therapeutisches und reproduktives Klonen, die Fortschritte der Stammzellforschung und Aspekte der In-vitro-Fertlisation sowie der Praeimplantationsdiagnostik im Mittelpunkt. Auf dem Programm staenden unter anderem Besuche bei BASF und einer Fortpflanzungsklinik sowie Gespraeche mit dem in den USA arbeitenden deutschen Klonforscher Rudolf Jaenisch, einem vehementen Befuerworter des Klonens von Menschen zu Forschungszwecken sowie dem deutschen Botschaftsrat Christian Much.

Much hatte unlaengst bei den inzwischen ausgesetzten Verhandlungen ueber eine Anti-Klon-Konvention der Vereinten Nationen in New York fuer erhebliches Aufsehen gesorgt. Nach Darstellung des "Catholic Family and Human Rights Institute", hatte Much im Verlauf einer informellen Verhandlungsrunde erklaert, ein umfassendes Klonverbot durch eine UN-Resolution verstosse gegen bundesdeutsches Recht, da das Verbot des sogenannten therapeutischen Klonen zu Forschungszwecken einer unterlassenen Hilfeleistung gleichkomme und demzufolge eine kriminelle Handlung darstelle. Das Auswaertige Amt bestreite, dass Much die ihm zugeschriebenen Aeusserungen gemacht habe.

Gespraeche mit Senatoren, die sich nach dem Scheitern der Verhandlungen in New York nun fuer ein umfassenden nationales Klonverbot stark machen und im kommenden Fruehjahr ein entsprechendes Gesetz durch den Senat bringen wollen, stehen nach Darstellung der "Tagespost" nicht auf dem einseitig ausgerichteten Programm.

Aenderungen zeichnen sich laut der Zeitung in der CDU auch hinsichtlich der Besetzung der Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" ab. Wie aus Fraktionskreisen verlautete, haette derzeit der Abgeordnete Lensing die groessten Aussichten auf das Amt des Vorsitzenden der Enquete-Kommission falls diese wiedereingesetzt und der Vorsitz der Union zufallen wuerde.

Im Oktober 1999, als die erste Bioethik-Enquete vor dem Aus stand, hatte Lensing geaeussert, diese Kommission haette ohnehin vor allem "Fundamentalisten" eine Plattform geboten, sich in "undifferenzierter Weise" zu aeussern. Die personelle Besetzung der Enquete sei auch deshalb wichtig, weil ihre parlamentarischen Mitglieder auch das Vorschlagsrecht fuer die zu berufenden Sachverstaendigen ausuebten. "Wir brauchen die Enquete-Kommission" zitiert das Blatt die menschenrechts- und kirchenpolitische Sprecherin der Gruenen, Christa Nickels. Wie die Fraktionen diese dann besetzten sei ihre eigene Angelegenheit. Allerdings sei die Unionsfraktion "entgegen dem oeffentlichen Anschein in der Biopolitik tief gespalten". Nun muesse sich die Union entscheiden, ob sie "als wertkonservative Partei weithin Werte hochhaelt oder in zunehmendem Mass einseitigen Wirtschafts- und Forscherinteresse opfern will und die Werte in der Altkleiderkammer entsorgt."