30.09.2019

Wird die Welt besser, wird sie schlechter oder bleibt sie gleich?

Ein Kommentar von Jeff Fountain

Allianz-Spiegel der Österreichischen Evangelischen Allianz

Die meisten Teilnehmer an einer Umfrage in 30 Ländern meinten, es werde tatsächlich schlimmer in der Welt. Für Christen waren Krieg und Hunger, Verfolgung und Erdbeben schon immer „Zeichen der Endzeit“. Aber ist das wahr? Oder haben viele Christen eine verzerrte Weltsicht?

Bis zu seinem Tod vor zwei Jahren kämpfte der Schwede Hans Rosling, Professor für Internationale Gesundheit, gegen tief verwurzelte Missverständnisse zum Zustand der Welt. In Sitzungsräumen, Hörsälen und Foren, in Davos und in christlichen Sendungen sprach er zu Spitzenwissenschaftlern, Ökonomen, UNO-Beamten, Politikern, Generälen und Journalisten.

Rosling war Arzt und hatte über Jahrzehnte hinweg in vielen Ländern praktische Erfahrung gesammelt. Er forderte dazu auf, die Fakten zu erkunden und einen neuen Lebensstil einzuüben: „Factfulness“ (dt. Faktentreue). So heißt auch das Buch, das er in den letzten Monaten seines Lebens fertiggestellt hat (erschienen auf Deutsch im Ullstein-Verlag).

An folgenden Beispielen zeigte Rosling seinen Zuhörern, dass das Schlechte abnimmt:

• Extreme Armut fiel von 85 % im Jahr 1800 auf 9 % im Jahr 2017; den größten Rückgang (um 50%) gab es seit 1966.

• Die durchschnittliche Lebenserwartung stieg von durchschnittlich 31 Jahren (im Jahr 1800) auf 72 Jahre (2017).

• Es gibt heute keine Länder mehr mit einer Lebenserwartung unter 50 Jahren.

• Die Kindersterblichkeit in den ersten 5 Lebensjahren sank von 44 % (im Jahr 1800) auf 4 % (2016).

• Kriegstote (in Schlachten): 201 von 100.000 Menschen im Jahr 1942; jetzt nur noch 1 von 100.000.

• Todesfälle durch Flugzeugabsturz pro 10 Mrd. Passagiermeilen im 5-Jahres-Schnitt von 1929-1933: 2100; von 2012-2016: 1

• Katastrophentote pro Jahr und je 10 Millionen Menschen (im Zehnjahresdurchschnitt): 453 (1930er-Jahre); 10 (2010–16).

• Kinderarbeit von 5- bis 14-Jährigen (Vollzeit bei schlechten Arbeitsbedingungen): 28 % (1950); 10 % (2012).

• Atomwaffen: 64.000 Sprengköpfe (1986, Höchststand); 15.000 (2017).

• Pocken: 148 Länder (1850), seit 1979 ausgerottet.

• Hunger: 28 % Unterernährte (1970); 11 % (2015)

Dass das Gute zunimmt, zeigte Rosling an Fakten wie diesen:

• Getreideernte: im Jahr 1961 waren es 1,4 Tonnen pro Hektar; im Jahr 2014 waren es 4 Tonnen pro Hektar.

• Im Jahr 1800 waren des Lesens und Schreibens kundige Erwachsene (Alphabetisierung) 10 %; 2016 waren es 86 %.

• Der Anteil der Weltbevölkerung, der 1816 in einer Demokratie lebte, betrug 1 %; 2015 waren es 56 %.

• Länder mit gleichem Stimmrecht für Frauen und Männer: 1 (1893); 193 (jetzt).

• 1975 überlebten 58% der Kinder eine Krebserkrankung, im Jahr 2010 waren es 80 %.

• Der Anteil der Mädchen, die 1970 in einer Grundschule angemeldet waren, betrug 65 %; 2015 waren es 90 %.

• Die Impfrate bei Einjährigen (mindestens eine Impfung) im Jahr 1980 betrug 22 %; im Jahr 2016 lag sie bei 88 %.

• Zugang zu gutem Trinkwasser hatten 58 % im Jahr 1980; 2015 waren es 85 %.

Das Schlechte scheint also lauter zu schreien. Warum?

Rosling nannte als Grund den „Gefahreninstinkt“: Der Mensch neigt dazu, die „gute alte Zeit“ zu verklären; wir leben so sehr im Jetzt, dass Geschichtskenntnis und damit langfristige Vergleiche ein Schattendasein führen. Die Medien bombardieren uns mit schlimmen Nachrichten: „Kriege, Hungersnöte, Naturkatastrophen, politische Fehler, Korruption, Ausgabenstopps, Epidemien, Arbeitslosigkeit, Terrorismus.“ Wir können genau mitverfolgen, wie der Leidenspegel steigt, doch mit der allmählichen Verbesserung, die Millionen von Menschen spüren, ist eben keine Schlagzeile zu machen. Die bekommen Aktivisten und Lobbyisten, die für ihre Anliegen Alarm schlagen, um Geld locker zu machen.

Dann der „Angstinstinkt“

Politiker, Journalisten und Terroristen machen sich ihn zunutze. Weltweit hat der Terrorismus zugenommen, doch in den reicheren Ländern ging er zurück (von 2007 bis 2016 waren es weniger als 1500 – das ist ein Drittel der Terroropfer dieser zehn Jahre insgesamt). Der stärkste Anstieg erfolgte im Irak (etwa die Hälfte), in Afghanistan, Nigeria, Pakistan und Syrien.

Der „Schuldinstinkt“

Ein weiterer Faktor für verzerrte Sicht ist laut Rosling der „Schuldinstinkt“, der uns schnell einen einfachen Grund zeigt für etwas Schlimmes – aber tatsächlich ist die Sachlage meist komplizierter.

Rosling war ein Mann mit Herz. Ihm waren die Menschen nicht egal, er wollte Gutes bewirken. Soweit wir wissen, hat er nicht als Christ geschrieben. Seine „Einseitigkeit“ ruft Kritik hervor, aber „Factfulness“ ist eine große Anfrage an uns und die Art, wie wir die Welt sehen.

Roslings leidenschaftliche Einsatzbereitschaft für alle, die immer noch in Armut und Krankheit gefangen sind, zeigt sich in seinen vielen YouTube-Videos. Er entlarvt populistische Argumente, die Angst machen vor Ausländern und die Randgruppen zum Sündenbock erklären; leider gibt es auch Christen, die in dieses Horn stoßen.

Der Fortschritt, den Rosling konstatiert, verdankt sich Werten, für die sich christliche Missionare in aller Welt einsetzen. Ganz gewiss gibt es Überschneidungen zwischen diesen Verbesserungen und dem Wohlergehen, das Rosling proträtiert, und dem „Schalom“-Konzept der Bibel, der Güte Gottes, die gute Bedingungen schafft für die Verkündigung des Evangeliums. Und das ist ein Dankgebet wert!

Quelle: Jeff Fountain in JoelNEWS (2019-04): Nachrichten aus dem Reich Gottes zu den Themen Gebet, Gemeindeentwicklung und Erweckung – recherchiert aus über einhundert zuverlässigen Quellen in sechs Kontinenten – www.joel-news.net

Weitergehende Links:
https://www.ted.com/talks/hans_rosling_reveals_new_insights_on_poverty#t-91479 https://www.gapminder.org/