29.04.2019

SPRING – Wo die Kraft des Glaubens spürbar wird

Ein Bericht von Hans-Joachim Vieweger für idea

SPRING - das ist Entspannung pur. Nur wenige hundert Meter voneinander entfernt kann man spannende Prediger hören, kulturelle Highlights erleben und wunderbare Urlaubsangebote genießen, in Schwimmbad und Sauna, auf der Sommerrodelbahn oder beim Wandern auf dem Ettelsberg. 

SPRING - das ist totaler Stress. Man muss sich ständig entscheiden, welche Veranstaltung man besucht und auf welchen interessanten Redner oder auf welchen tollen Künstler man dafür verzichten muss, ob man lieber mit den Kindern zum Schwimmen geht oder mit der Gondel auf den Berg fährt – alles geht nun mal nicht.

Entspannung pur und totaler Stress: Zwischen diesen beiden Polen bin ich bei SPRING hin- und hergerissen. Es ist ein bisschen wie bei Kirchentagen, auch wenn SPRING mit seinen mehr als 300 Veranstaltungen und rund 3.800 Gästen deutlich kleiner ist. Aber eben doch sehr vielfältig.

Andacht, Lobpreis oder Abendmahl

Eins aber hilft: die klare Struktur. Die Vormittage beginnen mit sogenannten „Starts“. Hier können die Besucher unter anderem zwischen einer klassischen Andacht, einer Lobpreiszeit mit der Outbreakband oder einer Abendmahlsfeier wählen. Oder „Aufwachen und Ablachen“ mit Arno Backhaus, der die biblische Botschaft zusammen mit Gästen mit viel Humor weitergibt.

Im Anschluss daran folgen die täglichen Bibelarbeiten, die von verschiedenen Teams vorbereitet werden, die sich die Auslegung und die Interpretation der jeweiligen biblischen Texte aufteilen. Die unterschiedlichen geistlichen Hintergründe der Referenten sollen sich dabei ergänzen. Da ist zum Beispiel die junge Theologin Julia Garschagen, die die Verbindung von Glauben und Vernunft betont. Oder der Wittenberger Pfarrer Alexander Garth, der mit seinen kritischen Anfragen an die moderne Theologie den Nerv vieler Besucher trifft. Heute würden ja viele Theologen lehren, dass Jesus gar nicht leibhaftig auferstanden sei, sondern nur in der Verkündigung seiner Nachfolger weiterlebe. Nun habe man in der alten DDR davon gesprochen, dass Lenin „durch unsere Taten“ lebe. Ob es dann einen Unterschied zwischen Jesus und Lenin gebe, habe er einen seiner Professoren gefragt. Für das ehrliche Nein sei er letztlich dankbar gewesen, so Garth – dann wisse man wenigstens, woran man sei.

Für die Kinder gibt es viel zu erleben

Die mehr als 800 Kinder und Jugendlichen haben derweil ihr eigenes Programm: Die Kindergartenkinder beispielsweise lernen mit Unterstützung des sächsischen Bauchredners Sebastian Rochlitzer (mit seinem flauschigen Freund „Ulfie“), dass Jesus ihr Freund sein will, die Grundschulkinder sind auf den Spuren von Paulus unterwegs, die Teens haben ihren eigenen Lobpreis mit „Rico Köhler & Band“. Und für die Jugendlichen zählen neben den biblischen Impulsen (die allerdings manchmal etwas tiefer gehen könnten, wie unser 16-jähriger Jonas meint) vor allem die Gespräche und Unternehmungen in den Kleingruppen – und die nächtlichen Gespräche über „Gott und die Welt“.

Ein Astronom erzählt vom „Schwarzen Loch“

Ein besonderer Höhepunkt ist der Auftritt des Astronomen Heino Falcke, der Weltruhm durch die erstmalige Präsentation eines „Schwarzen Lochs“ erlangt hat, aber auch schon seit vielen Jahren Teil der „SPRING-Gemeinde“ ist. Von dem physikalischen Phänomen verstehe ich nicht viel, nur so viel, dass die Forscher in einer unvorstellbaren Entfernung von 55 Millionen Lichtjahren durch das Zusammenschalten von mehreren riesigen Teleskopen und mit viel Glück (an allen Standorten der Teleskope war bei den Aufnahmen im April 2017 gutes Wetter) dieses „schwarze Loch“ entdeckten, das durch seine ungeheure Anziehungskraft das Licht sozusagen „verschluckt“. Beeindruckend ist für mich aber neben der professionellen Begeisterung von Falcke seine Bescheidenheit und sein Bekenntnis zum christlichen Glauben. Karfreitag habe er wie in vielen Jahren zuvor in einer CVJM-Bildungsstätte verbracht. Wenige Tage, nachdem viele Millionen Menschen auf ihn gesehen hätten, habe er auf das Kreuz geschaut – und gespürt, „dass es nur diesen Jesus gibt, auf den ich schaue und der mich hält“.

Die Kraft des Glaubens wird spürbar

Für eine ganz andere Lebensgeschichte steht Michael Stahl, lange Zeit Kampfsportler und Personenschützer für Prominente wie den Boxer Muhammed Ali. Auch heute gibt Stahl noch Selbstverteidigungskurse, versucht dabei aber vor allem, Kindern und Jugendlichen Selbstvertrauen zu geben. Hintergrund ist seine eigene Geschichte mit der Erfahrung von Armut, Mobbing und vielen familiären Verletzungen. In mehreren Schritten lernt Stahl aber die Kraft von Vergebung und Versöhnung, insbesondere mit seinem alkoholkranken Vater, der ihn als Kind vielfach gedemütigt hatte. Das Spannende an der Geschichte von Stahl: Sowohl seine Glaubens- als auch seine Versöhnungsgeschichte vollzieht sich in Etappen. Da ist der Kinderglaube an einen Jesus, der auch leidet, oder der Blick auf ein Kreuz in einem Moment, als er an Selbstmord denkt. Und dann ist da die Erfahrung, dass die Versöhnung mit dem Vater nicht automatisch mit der Bekehrung kommt, sondern in dem Moment, als er zum Vater sagen kann: „Ich habe dich lieb.“ Als wenige Jahre später Stahls Frau und Kind von einem 25-jährigen Raser zusammengefahren und schwer verletzt werden, sieht Stahl auch in diesem jungen Mann einen Menschen, der unter einem Mangel an Liebe leidet. Als er ihn besucht und dieser ihm sagt: „Sie können mit mir tun, was Sie wollen“, sagt Stahl: „Ja, ich will Ihnen vergeben und mit Ihnen beten.“

Es sind Momente wie dieser, in dem man selbst in einer riesigen Halle mit vielen Hundert Besuchern die berühmte Stecknadel fallen hören könnte. Momente, in denen etwas von der Kraft des Glaubens spürbar wird. Davon, wie sehr die Liebe Gottes dieses „Dafür“, wie es im diesjährigen Motto von SPRING anklingt, Menschen verändern kann.

Keine Kontroversen

Bei SPRING werden aber auch Phänomene deutlich, die die christliche Welt derzeit prägen. Es gibt – das mag manche gar nicht stören – wenig Streit: Eine Kontroverse habe ich auf den großen Podien nicht erlebt. Jeder lässt die Sicht des anderen stehen, Glaubenserfahrungen stehen im Mittelpunkt. Doch ist es nicht auch wichtig, dass man um das Bibelverständnis ringt? Denn unterschiedliche Positionen sind da – auch in der evangelikalen Welt. Was für ein spannendes Gespräch habe ich bei SPRING mit einem Jugendlichen erlebt, der die Kindertaufe hinterfragt, während ich sie für ein wunderbares Zeichen dafür halte, dass Gottes Liebe uns vorausgeht, lange bevor wir selbst dazu Ja sagen können. Oder: Wie ist es mit ethischen Fragen, wie mit grundsätzlichen Fragen der Schriftauslegung? Ein anderes, inzwischen schon klassisches Problem ist die Musik: Gibt es überhaupt noch Musik, die die christliche Gemeinde eint? Beim Eröffnungs- und beim Schlussfestival von SPRING gibt es jeweils nur wenige wirkliche Mitsing-Lieder. Wie schön ist es dagegen, wenn – wie in einer Morgenandacht – das alte Gesangbuchlied „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ in modernem Sound erklingt und die ganze Gemeinde kräftig mitsingen kann.

Schlafen kann man zu Hause

Dabei soll die positive Seite nicht kleingeredet werden: Bei SPRING kommen unterschiedlich geprägte Christen zusammen. Im vielfältigen kulturellen Angebot zeigt sich, wie Künstler auf je eigene Weise Gott loben – meine Frau und mich begeistert dabei besonders der virtuose US-Geiger Christer Tepper mit seiner Form der Verkündigung. Vor allem wird bei SPRING deutlich, dass Gemeinde Jesu wirklich alle Generationen umfasst. Es ist übrigens eine der älteren Besucherinnen, die mit ihrem Statement im Abschlussfilm das Gefühl vieler Teilnehmer trifft: „Wir wissen gar nicht, welche Seminare wir alle besuchen sollen. Wir sind in jedem Nachtprogramm gewesen, und wir sind nicht mehr jung, aber wir haben gesagt: Schlafen können wir zu Hause.“

Übrigens: Als wir zu Hause angekommen sind, kann unser Jüngster nicht schlafen – weil er SPRING so sehr vermisst.

(Der Autor, Hans-Joachim Vieweger, ist Journalist und war bis Ende vergangenen Jahres Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, die Veranstalter von SPRING ist.)