13.01.2003

Allianzgebetswoche: In der "Kalten Lausitz", im Bielefelder Rathaus, in der Hamburger Michaeliskirche - in etwa 1300 Orten

Steeb: 3 % der Tageszeit für Bibellesen und Gebet

Allianzgebetswoche: In der "Kalten Lausitz", im Bielefelder Rathaus, in der Hamburger Michaeliskirche - in etwa 1300 Orten

Steeb: 3 % der Tageszeit für Bibellesen und Gebet

S t u t t g a r t, 13. Januar 2003 (idea) - Angst vor einem Krieg gegen den Irak, wirtschaftliche Unsicherheiten und ethische Orientierungslosigkeit förderten die Bereitschaft zum Gebet. Dies habe die Gebetswoche der Deutschen Evangelischen Allianz gezeigt, sagte deren Vorsitzender, Präses Peter Strauch (Witten) vom Bund Freier evangelischer Gemeinden, gegenüber idea. Nach Angaben der Allianz-Geschäftsstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben trotz Eis und Schnee rund 450.000 Christen an den Veranstaltungen in etwa 1.300 Orten teilgenommen, etwa gleich viel wie im Vorjahr. Schwerpunkt der weltweiten Allianzgebetswoche ist Europa. Hier werden in fast 30 Ländern Veranstaltungen durchgeführt. Selbst in Senftenberg in der Lausitz, dem mit minus 20 Grad zeitweise kältesten Ort Deutschlands, trafen sich abends bis zu 30 Personen, die verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften angehören. In Preetz bei Kiel erinnerte eine 80jährige Aussiedlerin aus Rußland an die katastrophalen Verhältnisse in ihrer früheren Heimat. Sie dankte Gott dafür, daß man in Deutschland warme Wohnungen und genug zu essen habe.

Andere Gebetsanliegen betrafen Politik und Wirtschaft sowie ethische Probleme, beispielsweise Abtreibungen, Klonen und Sterbehilfe. In Bielefeld begann die dortige Gebetswoche im Großen Sitzungssaal des Rathauses, um auch öffentlich für das Wohlergehen der Stadt einzutreten. Bei den meisten Versammlungen hatte die Lage im Nahen Osten eine zentrale Stelle. Bei den Gebeten für eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts wurde auch besonders an die Menschen in Israel gedacht, die unter ständiger Bedrohung ihrer arabischen Nachbarn lebten. In Pforzheim war das Nennen von Gebetsanliegen so engagiert, daß manche Teilnehmer Schwierigkeiten hatten, zu Wort zu kommen.

Nach Ansicht Strauchs suchen Menschen besonders in Krisenzeiten Begegnungen mit Gott. Der Theologe hofft auf einen geistlichen Aufbruch in Deutschland, dessen Motor die bibeltreuen Mitglieder von Landes- und Freikirchen seien. In der Gebetswoche rückten sie zusammen, indem sie beispielsweise gemeinsame Gottesdienste mit Abendmahl feierten. Dabei spielten konfessionelle Unterschiede keine Rolle. Entscheidend sei, daß alle Beteiligten einen persönlichen Glauben hätten, sagte Strauch. Vertrauensvolle Beziehungen zwischen den Kirchen seien wichtig, dürften aber nicht zur Preisgabe biblischer Grundlinien führen.

Der Sprecher der Dresdner Allianz, Norbert Binder, bezeichnete den Blick über den Kirchturm als wichtigstes Ergebnis dieser Woche. Im Schlußgottesdienst in der Dreikönigskirche wirkte ein Allianzorchester mit Musikern aus den beteiligten Gemeinden und Gemeinschaften mit.

Bei der Schlußveranstaltung in der Hamburger Hauptkirche St. Michael stellte der Vorsitzende der dortigen Allianz, Pastor Dietrich Otto, fest, daß der Graben zwischen den sogenannten Evangelikalen, Charismatikern und gesellschaftlich engagierten Christen schmaler geworden sei. Mit Pastor Wolfram Kopfermann stand erstmals einer der härtesten Kritiker der Volkskirche wieder auf einer landeskirchlichen Kanzel. Vor rund 900 Besuchern predigte er über die Bedeutung der Bibel. Kopfermann, bis 1988 Pastor der Hauptkirche St.-Petri in Hamburg, verließ damals die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche aus Protest gegen deren „unerträglichen Pluralismus“ und gründete die evangelikal-charismatische Anskar-Kirche.

Erstmals beteiligten sich messianische Juden an Allianzveranstaltungen. In Stuttgart gestaltete ein Musikteam eine Gebetsversammlung, in Berlin fand ein Begegnungsabend statt. Messianische Juden verstehen sich als Juden, die Jesus Christus als den im Alten Testament angekündigten Messias betrachten. Die meisten landeskirchlichen Gremien betrachten sie als Hindernis für den jüdisch-christlichen Dialog.

In Magdeburg beendeten rund 500 Menschen die Gebetswoche in der denkmalgeschützten Johanniskirche, die normalerweise als städtisches Veranstaltungszentrum dient. Lediglich an fünf Tagen pro Jahr dürfen dort kostenlos kirchliche Veranstaltungen stattfinden durfte eine Kirche wieder Kirche sein.

Auftaktveranstaltungen zum „Jahr der Bibel“
Fast alle Gebetsversammlungen waren auch Auftaktveranstaltungen zum „Jahr der Bibel“. Nach Ansicht von Allianz-Referent Rudolf Westerheide muß die Bibel als Lebensbuch wiederentdeckt werden. Christen sollten durch ihr Leben deutlich machen, daß es ohne die Bibel kein Christsein gibt. In Bremen forderte der Direktor der Liebenzeller Mission, Pfarrer Hanspeter Wolfsberger, ein langsames Bibellesen einzuüben. Man müsse „beim Wort verweilen und nicht darüber hinwegeilen“. In mehreren Orten präsentierten Allianzgruppen ein „Neues Testament für unsere Stadt“, mit dem sie im Jahr der Bibel zum Lesen der Heiligen Schrift ermutigen wollen. Diese Sonderausgaben enthalten Grußworte von Lokalpolitikern und Erfahrungsberichte. In der Frankfurter Ausgabe bekennt beispielsweise der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Prof. Norbert Walter, regelmäßig zu beten. In Düsseldorf und Oberhausen schlug Allianz-Generalsekretär Hartmut Steeb (Stuttgart) in Anspielung an den Tarifabschluß im öffentlichen Dienst und die Diskussion, ob dies genug oder schon zufriedenstellend sei, vor, wenigstens drei Prozent der zur Verfügung stehenden Tageszeit für persönliches Bibellesen und Gebet zu verwenden. Er bedauerte, daß die Bibelkritik in den letzten Jahrzehnten das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit des Wortes Gottes geschmälert habe. Selbst die klaren Aussagen des apostolischen Glaubensbekenntnisses würden bezweifelt. Auch sei es unverständlich, wenn selbst Bischöfe die eindeutige biblische Aussage, daß Jesus von der Jungfrau Maria geboren wurde, infrage stellten.

Baake: Kirchen fördern "Aushöhlung biblischer Grundpositionen"
Der medienpolitische Sprecher der Evangelikalen, Wolfgang Baake (Wetzlar) vom Christlichen Medienverbund KEP, kritisierte die Entscheidungen von drei Landessynoden, Segnungsgottesdienste für schwule und lesbische Partnerschaften zu erlauben, als "Aushöhlung biblischer Grundpositionen". Anscheinend habe die gesellschaftliche Realität einen höheren Stellenwerte als Bibel und Bekenntnis. Evangelikale, die nicht gegen solche „fatalen Signale“ protestierten, begingen einen "Verrat am biblischen Zeugnis", sagte Baake bei der Schlußversammlung in Wuppertal.

Sachsen: Verkündigung mit praktischen Einsätzen kombiniert
In Sachsen verbanden Christen die Gebetswoche mit praktischen Einsätzen. Beim Abschlußgottesdienst in Döbeln an der Mulde überreichte der Leiter der idea-Geschäftsstelle Ost, Thomas Schneider, einen Scheck in Höhe von 8.000 Euro an Pfarrerin Uta Gerhardt als Zeichen der Solidarität mit der von der Sommerflut besonders betroffenen Gemeinde. In der Kirche, die 1,70 Meter unter Wasser gestanden hatte, mußten Kanzel, Stühle und Sakristei-Fußboden erneuert und Wände, Türen und Orgel vor Schimmelbefall geschützt werden. In Breitenbrunn (Erzgebirge) erinnerte Prediger Tobias Wachsmuth an die Hilfsbereitschaft der Allianz. Während der letztjährigen Gebetswoche waren das Wohnhaus und ein kleiner Handwerksbetrieb der Familie Müller abgebrannt. Nach einer Spendenaktion, über die auch idea berichtete hatte, konnten beide Gebäude wieder aufgebaut werden. Wachsmuth bedauerte, daß praktische Nächstenliebe gelegentlich auch Neid hervorbringe.

Innerevangelikal umstritten - Störungen von Sektierern
Im Blick auf die Mitwirkung von Katholiken an einigen der rund 1.500 Versammlungsorte räumte Präses Strauch ein, daß das Bemühen um Einheit in der evangelikalen Bewegung nicht unumstritten sei. Der Aktionismus einiger Kritiker „ökumenischer“ Tendenzen nehme zu. Auch Sektierer protestierten gegen die Gebetswoche. In Oberhausen, Düsseldorf, Freiburg und Burgstädt bei Chemnitz warfen Anhänger des ehemaligen freikirchlichen Predigers Horst Schaffranek (Rickenbach bei Waldshut) der Allianz auf Plakaten und Handzetteln vor, die konfessionellen Trennungen in der Christenheit zu zementieren und in der Evangelischen Allianz mit nicht wiedergeborenen Christen zusammenzuarbeiten. Den Abschlußgottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche störte ein etwa 35jähriger Mann, indem er unmittelbar nach einem Gebet aufsprang und den Gottesdienstbesuchern vorwarf, durch ihre Kirchenmitgliedschaft mehr als 1.500 Abtreibungen pro Tag zu unterstützen. Es war ein Anhänger des Kirchenkritikers Andreas Roy, der unter anderem die „Thesentür“ in der Lutherstadt Wittenberg beschädigt hat. Gegen den Störer wurde Strafanzeige erstattet.

Österreich: Mehr Jugendliche an den Vorbereitungen beteiligen
Der Generalsekretär der Österreichischen Evangelischen Allianz, Christoph Grötzinger, bezeichnete die Gebetswoche als wichtigen geistlichen Jahresauftakt. Den größten Zustrom hatte ein Lobpreiskonzert in Linz mit 650 Besuchern. Zum „Allianztag“ in Kärnten versammelten sich 270 Christen und zum Schlußgottesdienst in Graz 340. Vordringlich sei, mehr Jugendliche an den Vorbereitungen zu beteiligen, sagte Grötzinger gegenüber idea. Nur in Wien und Graz hätten die unter 40jährigen eine deutliche Mehrheit gebildet. In eingen Teilen der Alpenrepublik begann die Gebetswoche erst am 13. Januar.