07.03.2001

Brutalität, Sex und Ekel in den Medien - "BSE" für unsere Kinder?

Der jungen Generation droht eine “Gehirnerweichung" durch ungezügelten Medienkonsum

Brutalität, Sex und Ekel in den Medien - "BSE" für unsere Kinder?

Der jungen Generation droht eine “Gehirnerweichung" durch ungezügelten Medienkonsum

Mit den Herausforderungen der multimedialen Welt im Internetzeitalter beschäftigte sich das Forum "Kinder in Kirche und Gesellschaft" der Deutschen Evangelischen Allianz am 28. Februar und 1. März in Kassel. Den Verantwortlichen der Arbeit mit Kindern, die aus ganz Deutschland zusammenkamen, ist erneut auch das Gefahrenpotential vor Augen geführt worden und die Notwendigkeit zu einer Gegenstrategie. In einem Kommentar für die Nachrichtenagentur idea beschreibt einer der Initiatoren, der stellvertretende Generalsekretär des CVJM-Gesamtverbandes in Deutschland, Albrecht Kaul, die Situation eindrücklich und vergleicht sie mit der "BSE"-Gefahr.

Seit Wochen wird die Öffentlichkeit von der Angst vor der heimtückischen und todbringenden Krankheit BSE beherrscht. Über eine Million Rinder sollen getötet werden und jegliches Fleisch, das nur einen Hauch von Risikomaterial besitzt, wird vernichtet. Das geschieht zum Schutz vor dem Rinderwahnsinn, der bei Menschen zur gefürchteten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit führen kann. Noch ist in Deutschland kein Mensch daran erkrankt – zum Glück, aber weil Gefahr droht, schicken wir hunderttausende Rinder durch den Schornstein. Es wäre unvorstellbar, würde sich in fünf bis zehn Jahren eine Epidemie ausbreiten, die ihre Ursache in Unachtsamkeit, Leichtsinn oder Profitgier unserer Tage hat. Machtlos würden wir dastehen, träte die grausame Wirkung früherer Versäumnisse zutage, würden Gehirne von nicht zu kontrollierenden Erregern angegriffen und aufgeweicht.
Das menschliche Gehirn wird aber nicht nur durch biologische Vorgänge und elektrische Impulse gesteuert, sondern speichert und verarbeitet auch die verschiedensten Erfahrungen, Bilder, Ängste und Freuden. Das prägt den Menschen von Kind auf, bildet seine Seele und hat lebenslange Auswirkungen auf sein Gewissen. Was einem kindlichen Gehirn durch Reizüberflutung heute alles zur Verarbeitung angeboten wird, ist mindestens so schlimm und nachhaltig wie BSE.

Gefahr und Herausforderung zugleich

Ende Februar trafen sich in Kassel Mitarbeiter aus verschiedenen Kirchen, Freikirchen und missionarischen Werken zum “Forum – Kinder in Kirche und Gesellschaft� mit dem Thema “Faszination der virtuellen Welten – Kinder im Internetzeitalter�. Alle 28 Teilnehmer stehen in der Verantwortung für die Arbeit mit Kindern. Die Referenten, Diakon Lutz Barth (Linkenheim) und Egmond Prill (Christlicher Medienverbund KEP, Wetzlar), sprachen über Chancen und Gefahren der neuen Medien, aber auch über die positiven Herausforderungen für die Kinder- und Jugendarbeit. Barth machte an Beispielen deutlich, wie viel “Sondermüll� sich in den Köpfen und Herzen der Kinder anhäuft, wenn sie pro Tag bis zu sechs Stunden fernsehen (Bundesdeutscher Durchschnitt aller Altersstufen: 3,45 Stunden).
Brutale Szenen und Talkshows, die oft einer sexuellen Nötigung gleichkommen, werden zur kinderfreundlichsten Zeit gesendet. Virtuelle Spiele, die das Töten zur Norm und das blutspritzende Abschlachten mit Spaßfaktor anbieten, werden von immer jüngeren Kindern konsumiert und suggerieren ihnen, daß Mord unausweichlich sei, wenn man überleben wolle. Filme sind gerade für kleine Kinder emotionale Erlebnisse, die ebenso nachhaltige Eindrücke hinterlassen wie die Wirklichkeit. Inzwischen ist es erwiesen, daß es einen Zusammenhang gibt zwischen brutalen Schlägereien bis zu grausamen Massakern auf Schulhöfen und dem Konsum von Gewaltvideos. Eltern wissen oft nicht, was alles Zugriff auf die Seele ihrer Kinder hat, Lehrer und Erzieherinnen sind machtlos und können die angesammelte Aggression kaum bändigen.

Sind die Medienmacher taub gegen Warnungen?

Es gibt schon viele Initiativen für ein kinderfreundlicheres Fernsehen, für Gewalteindämmung und für verantwortlichen Umgang mit den neuen Medien. Dennoch ist die Ratlosigkeit groß, denn das Gespräch mit den Medienmachern scheint erfolglos zu sein. Auch Politiker scheitern an der Macht der Medien. Sind es nur Unachtsamkeit, Leichtsinn und Profitgier (sprich Einschaltquoten), die alle Warnungen überhören lassen?
Die wirksamste Hilfe ist, daß Eltern ihre Verantwortung für die seelische Entwicklung ihrer Kinder wieder ernster nehmen, den Fernseher aus dem Kinderzimmer verbannen, mit den Kindern Programme auswählen und einzelne Sendungen mit ihnen gemeinsam anschauen, um anschließend darüber zu sprechen.
Die Teilnehmer des “Forums – Kinder in Kirche und Gesellschaft� wollen aber auch ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und werden an Schulen, Politiker, Medienverantwortliche und Gemeinden Briefe schreiben, um erneut auf die Gefahren der Verrohung unserer Kinder hinzuweisen. Denn es geht um die seelische Gesundheit der gesamten Gesellschaft. Wir müssen die Seuche der seelischen Vergewaltigung und Fehlentwicklung jetzt stoppen. Wir müssen unsere Kinder vor der nicht weniger heimtückischen Ansteckung mit dieser Form von “BSE� – vor Brutalität, Sex und Ekel in den Medien – schützen. Es könnte sonst in fünf bis zehn Jahren eine furchtbare Gehirnerweichung deutlich werden, die schlimmer ist als alles bisher Dagewesene. Dann werden wir die Fehlentwickelten nicht einfach schlachten können wie die Rinder, sondern müssen versuchen, sie mit Milliarden-Förderprogrammen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. (Der Autor, Albrecht Kaul (Kassel), ist stellvertretender Generalsekretär des CVJM, mit 260.000 Mitgliedern der größte christliche Jugendverband Deutschlands.) (idea)