07.08.2000

Lebenssinn in der Spaß- und Erlebnisgesellschaft

Evangelische Allianz sagt, worauf es ankommt<br />

Lebenssinn in der Spaß- und Erlebnisgesellschaft

Evangelische Allianz sagt, worauf es ankommt

Wer meint, eine Glaubenskonferenz diene vor allem zur geistlichen Erbauung, muss sich in Bad Blankenburg immer wieder eines besseren belehren lassen. In dem thüringischen Kurort fand vom 2. bis 6. August zum 105. Mal eine zentrale Konferenz der Deutschen Evangelischen Allianz statt. Sie ist ein Unikum in der kirchlichen Tagungs-Landschaft: Morgens gibt es nach einander zwei Bibelarbeiten, die Nachmittage sind mit Seminaren zur Lebensgestaltung gefüllt, und abends stehen noch einmal evangelistisch ausgerichtete Bibelarbeiten auf dem Programm. Schon das stundenlange Sitzen auf den 1906 gezimmerten Bankreihen ist für die Teilnehmer alles andere als erbaulich. Dennoch kommen jedes Jahr rund 3.000 Besucher, von denen etwa zwei Drittel unter 30 Jahre alt sind.

Sie kamen auch in diesem Jahr, weil, so der 2. Allianz-Vorsitzende Peter Strauch (Witten), es in der weltanschaulich immer unübersichtlicher werdenden Gesellschaft ein zunehmendes Bedürfnis nach religiöser und ethischer Orientierung gibt: „Wir brauchen Glaubenskonferenzen, um uns auf die Grundlagen des Glaubens zu besinnen.“ 15 Bibelarbeiter widerstanden also der Versuchung, ihren meist evangelikal ausgerichteten Zuhörern zu bestätigen, dass sie auf dem (theologisch) richtigen Weg seien, oder sie aufzufordern, sich „aus christlicher Verantwortung“ für gesellschaftliche Veränderungen einzusetzen, wie man es von vielen kirchlichen Veranstaltungen gewohnt ist. Statt dessen boten sie unter dem Thema „worauf es ankommt“ Verständnishilfen für die im Lukas-Evangelium wiedergegebenen Gleichnisse Jesu. Und dies geschah vor allem selbstkritisch. Viele Christen seien so sehr mit den Irrwegen der bösen Welt beschäftigt, dass sie ihre eigenen Sünden nicht mehr sähen, meinte der frühere Generalsekretär des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten und Brüdergemeinden), Pastor Eckhard Schaefer (Bremen), in der Auslegung einer Geschichte über Pharisäer und Zöllner. Wörtlich: "Weh dem, der unter das Gericht der Frommen fällt." Ähnlich deutliche Worte fand die Diakonisse Maren Martens (Chemnitz). In ihrer Ansprache über den Barmherzigen Samariter kritisierte sie, dass es unter Bibeltreuen gelegentlich ein geheucheltes Interesse an den Nöten von Mitmenschen gebe, das auf die Betroffenen schlimmer als aufrichtiges Desinteresse wirke. Niemand müsse sich wundern, wenn dieses Leben auf andere abstoßend wirke und einen selbst unfroh mache.

Die Konferenzbesucher aber strebten ein Leben im Einklang mit Gottes Willen an, wie unzählige Seelsorgegespräche bewiesen. Besonders Jugendliche wollten wissen, wie sich der von ihnen grundsätzlich bejahte christliche Glaube auf den Alltag auswirke. Wie sie ihren Umgang mit Geld, Zeit und Sexualität gestalten sollten; wie sie sich auf die Ewigkeit vorbereiten könnten; was Gott mit ihrer Berufswahl zu tun habe; wie sie in ihrer Familie ein Zeugnis für die Liebe Gottes sein können, selbst wenn ihnen ihr Zuhause wie ein Vorgeschmack auf die Hölle vorkomme; wie sie ihre Ehe wieder in Ordnung bringen können; was sie als Christen, die mit Gottes Beistand rechneten, gegen Gewalt an der Schule, Ausländerhass und Fremdenfeindlichkeit tun könnten ... Insofern war es nicht überraschend, dass das Seminar „Wie gewinnt unser Leben Tiefe und Ausstrahlung?“ zu den best besuchten gehörte. „Wir leben in einer Spaß- und Erlebnisgesellschaft, in der Fragen nach dem Lebenssinn weitgehend ausgeklammert werden. Dennoch gibt es suchende Menschen, denen wir biblische Kraftnahrung geben und kompetente Begleiter sein wollen“, fasste Allianz-Generalsekretär Hartmut Steeb (Stuttgart) das Konferenz-Konzept zusammen.

Politische Aktionen werden von der Allianz aber nicht abgelehnt, wie die Ankündigung in der Schlussversammlung deutlich machte, der beabsichtigten Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe laut und eindeutig zu widersprechen. Nach Ansicht des Generalsekretärs des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), Theo Schneider (Dillenburg), ist dieses Gesetzesvorhaben mit biblischen Leitlinien unvereinbar. Auch der Schweizer Nationalrat Heiner Studer (Wettingen/Kanton Aargau), der seit Oktober 1999 die Evangelischen Volkspartei (EVP) im Landesparlament vertritt, setzte sich dafür ein, dass staatliche Maßnahmen die Verkündigung des christlichen Glaubens fördern sollten. Dazu gehöre, das Leben konsequent zu schützen, Ehe und Familie zu sichern, die Schöpfung zu bewahren und für das Existenzrecht des Staates Israels einzutreten.