08.01.2020

Geistliches Lebenselixier

Ein Kommentar von Ekkehart Vetter zur Kraft des Gebets und zum Start der Allianzgebetswoche

„Wir beten!“ oder salbungsvoller „Lasset uns beten!“: Wann immer dieser kurze Satz ausgesprochen wird, sind die Assoziationen von Menschen höchst unterschiedlich. Sie reichen, als eine Seite der Medaille, vom immer mehr aussterbenden Gebet am Familientisch über wohlformulierte Worte in würdigen gottesdienstlichen Feiern und das gemeinsam mehr schlecht als recht auswendig gesprochene Vaterunser bis hin zu gesenkten Häuptern, gefalteten Händen und irgendwie immer gleichen frommen Worten in pietistischen Gebetsgemeinschaften. Zur Medaille gehört aber auch die andere Seite: Menschen, die durch erlebtes gemeinsames Gebet vom Glauben anderer fasziniert wurden und selbst beten gelernt haben, für die miteinander beten in einem vertrauten Rahmen geistliches Lebenselixier geworden ist. Sosehr Gebet etwas höchst Persönliches ist und Jesus seine Nachfolger ermutigt, diese Gebetspraxis im vielzitierten „Kämmerlein“ (Matthäus 6,6) bei verschlossener (!) Tür zu pflegen, sosehr beschreibt die Heilige Schrift unzählige Situationen, in denen Gebet öffentlich war und gemeinschaftlich praktiziert wurde. Auf dem Gebet der „zwei oder drei“ (Matthäus 18,19) in Einheit ruht eine besondere Erhörungsverheißung.

Gebetswoche reloaded

Vom 12. bis 19. Januar werden wieder zigtausend Menschen in Deutschland und darüber hinaus im Rahmen der Gebetswoche der Evangelischen Allianz gemeinsam beten. Die Orte des Gebets und die Gebetsformen – all dies ist hoffentlich (!) vielgestaltig und bunt. An Orten, wo die Gebetswoche in die Jahre gekommen ist, braucht es neue Ideen und Formen. In meiner Heimatstadt Mülheim an der Ruhr hat das gemeinsame Gebet im Januar eine ganz neue Gestaltung erfahren, weil junge Leute aus unterschiedlichen Gemeinden mit Planung und Organisation beauftragt wurden – Gebetswoche reloaded sozusagen.

Wir lernen, Einheit zu leben

Wenn Christen einer Stadt gemeinsam beten, ändert sich etwas in der geistlichen Atmosphäre. Man entdeckt sich als vielgestaltige Gemeinde Jesu vor Ort. Es wächst Wohlwollen füreinander. Wir lernen, vor Ort Einheit zu leben, auch wenn Mitchristen mit etwas anderen Akzenten glauben. Statt einer eingeschränkten Ich-und-meine-Gemeinde-Perspektive entwickelt sich eine Reich-Gottes-Mentalität.

Hauptsache, es kommt von Herzen

Gebet bedeutet, ich setze mich und meine Lebenswelt, die mich mit all ihren schönen und problematischen Seiten umgibt, in Beziehung zu Gott. Die einen finden dafür eher liturgische Formulierungen, andere suchen eigene Worte. Die Hauptsache ist, es kommt von Herzen. Ich bete ihn an als den Schöpfer, meinen Erlöser, den Herrn aller Herren. Mit offenen Augen nehme ich wahr, wie viel Grund ich habe, ihm zu danken. Mein gesamtes Lebensumfeld breite ich vor ihm aus. Leid und Not kann ich ihm klagen und durch neue Hoffnung inspiriert werden – persönlich im „Kämmerlein“ und ebenso gern gemeinsam mit anderen.

Quelle: idea