07.01.2020

Deutschland: „Gendersensible Sprache“

In der Lübecker Verwaltung sind Männer nun „Lübecker:innen“ Kirchengemeinden sind vom „Leitfaden für gendersensible Sprache“ nicht betroffen

Lübeck (idea) – In der Hansestadt Lübeck gilt seit dem Jahresanfang in der Stadtverwaltung ein „Leitfaden für gendersensible Sprache“. Wie es darin heißt, wird „in der Verwaltung so formuliert, dass sich alle Geschlechter angesprochen fühlen (z. B. Beschäftigte)“. Dabei helfen soll auch die Einführung eines Gender-Doppelpunktes (z. B. Bewohner:innen). Dazu erläuterte Bürgermeister Jan Lindenau (SPD), man wolle so künftig alle Menschen ansprechen – Frauen und Männer und jene, die sich nicht als Mann oder Frau beschreiben würden. Als „tolerante und offene Stadt“ müsse Lübeck „diskriminierungsfrei kommunizieren“. Lindenau verwies ferner auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom November 2017, das das Recht auf Anerkennung eines dritten Geschlechts bestätigt und zu Veränderungen in der Gesetzgebung geführt hatte. Seitdem bestehe „auch für die Verwaltung der Hansestadt Lübeck Handlungsbedarf“, so Lindenau.

Evangelische Allianz: Anliegen der Gegenseite ernst nehmen

Zum neuen Leitfaden sagte der Vorsitzende der Evangelischen Allianz in Lübeck und Pastor der St.-Stephanus-Kirchengemeinde, Reinhard von Kries, der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, dass Kirchengemeinden von der Verordnung nicht betroffen seien. „Als Pastor sei er bestrebt, auch auch die Anliegen der Gegenseite ernst zu nehmen und abzuwägen: „Das ist Jesu Gebot der Nächstenliebe.“

Verein Deutsche Sprache: „Grässliches Deutsch“

Anders sieht das der Verein Deutsche Sprache (VDS). Er bot Lübecker Stadtbediensteten Prozesskostenhilfe an, falls sie die neue Verordnung nicht beachten und dadurch Nachteile erleiden sollten. Wie der VDS in einer Mitteilung weiter ausführt, werden durch den neuen Lübecker Leitfaden aus Mitarbeitern „Mitarbeiter:innen“, aus Schülern „Schüler:innen“, und selbst männliche Mitbürger seien ab sofort „Lübecker:innen“. Dazu erklärte der VDS-Vorsitzende Walter Krämer (Dortmund), dass sich die Stadt Lübeck über amtliche Regeln der deutschen Rechtschreibung hinwegsetze. Der Doppelpunkt sei ein Satzzeichen – und damit nichts, was man aktiv sprechen könne. Dieses „grässliche Deutsch“ führe zu einem Ausverkauf der deutschen Sprache. Der VDS ist sich sicher: „Thomas Mann hätte sich für seine Heimatstadt geschämt.“ Der in Lübeck geborene deutsche Schriftsteller Thomas Mann (1875-1955) war einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Lindenau wies die Anschuldigungen des VDS als „vollkommen überzogene Reaktion“ zurück. Im Januar 2019 hatte auch die Stadtverwaltung Hannover eine „Empfehlung für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache“ herausgegeben und sich dabei für die Benutzung des Gender-Sterns ausgesprochen.