03.09.2020

Kirchenleiter diskutieren über Sterbehilfe in kirchlichen Einrichtungen

Der Vorsitzende der Evangelischen Allianz, Ekkehart Vetter: Leben ist immer eine Gabe Gottes!

Rekowski: Zusammenarbeit mit Sterbehilfevereinen ist ausgeschlossen

Hannover/Schwerin/Düsseldorf/Mülheim (idea) – Die Leiter der evangelischen Landeskirchen in Deutschland diskutieren über die Zulassung von Sterbehilfe in kirchlichen Einrichtungen. Auslöser ist eine Aussage des Landesbischofs der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ralf Meister. Er hatte in einem Interview der „ZEIT“-Beilage „Christ & Welt“ erklärt, er halte Sterbehilfe in kirchlichen Einrichtungen für vorstellbar. Wenn Patienten dort ihren Sterbewunsch zum Ausdruck bringen könnten, gebe es eine Chance, sie durch Gespräche davon abzubringen. Wenn das nicht gelinge, müsse man ihnen auch in der Phase der Selbsttötung beistehen. „Warum sollte die Kirche das einem Sterbehilfeverein überlassen?“, so Meister.

Kühnbaum-Schmidt: Erfahrungen von Mitarbeitern einbeziehen

Die Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), Kristina Kühnbaum-Schmidt (Schwerin), begrüßte Meisters Vorstoß. „Ich halte es für gut, die Diskussion zu dieser Thematik offen und sorgfältig abwägend zu führen und dabei insbesondere das Fachwissen und die Alltagserfahrung von Mitarbeitenden in kirchlichen Einrichtungen wie Hospizen und Palliativstationen einzubeziehen“, erklärte sie auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Grundsätzlich stünden aus christlicher Sicht im Leben und im Sterben immer Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit an erster Stelle. Jeder Einzelne stehe in der Verantwortung dafür, dass Patienten nicht unter Druck geraten dürften, „wenn andere der Ansicht sind, dass sie ihr Leben beenden sollten – weil ihr Leid als zu groß oder die Kosten einer langen Pflege als zu hoch empfunden werden“.

Rekowski: Keine einfachen Lösungen

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski (Düsseldorf), erklärte gegenüber idea, die Diskussion über die seelsorgerliche Begleitung von Menschen, die Sterbehilfe wünschten, sei berechtigt. Dabei gebe es „weder schnelle Antworten noch einfache Lösungen“. In kirchlichen Einrichtungen müsse Patienten, die den Wunsch nach einem assistierten Suizid äußerten, mit Sensibilität und Respekt begegnet werden. Die Aufgabe von Seelsorgern sei, sie bis an ihr Lebensende zu begleiten. Das schließe „allerdings die Beschaffung oder Verabreichung eines Mittels zur Selbsttötung kategorisch aus“. Auch eine Zusammenarbeit mit Sterbehilfevereinen sei für kirchliche Einrichtungen ausgeschlossen.

Vetter: Leben ist immer eine Gabe Gottes

Der Vorsitzende der Evangelischen Allianz in Deutschland, Ekkehart Vetter (Mülheim an der Ruhr), erklärte gegenüber idea, der evangelikale Dachverband sei „generell gegen einen assistierten Suizid, und natürlich in besonderer Weise in Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft“. Menschliches Leben sei immer eine Gabe Gottes. Es liege auch bei schwerster Krankheit nicht in der Verfügungsgewalt des Menschen. Außerdem sei zu beachten, dass die weitaus größte Zahl von Selbsttötungen durch psychische Erkrankungen ausgelöst werde. Zwischen einem selbstbestimmten Entschluss zum Suizid und einer psychiatrisch behandlungsbedürftigen Selbsttötungsabsicht könne man zwar theoretisch unterscheiden, in der ärztlichen Praxis sei „die Bewertung dieses Unterschiedes aber enorm schwierig“.

Katholische Kirche kritisiert den Vorstoß

Der Sprecher der Deutschen Bischofkonferenz, Matthias Kopp, hatte zuvor gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) den Gedanken, die dem Menschen von Gott geschenkte Autonomie umfasse auch ein fundamentales Recht, sich selbst zu töten, als „problematisch“ bezeichnet. Durch die aktuelle Debatte werde deutlich, dass es in diesen Fragen Gesprächsbedarf „in der Gesellschaft, unter den Christen und auch im ökumenischen Miteinander“ gebe. Ebenso widersprach der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) Meister: Christen sollten einer Tendenz widerstehen, Selbsttötung zur „selbstverständlichen Normalität“ und zum „Jedermannsrecht“ zu machen, sagte er im Deutschlandfunk. Thierse ist Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.